Retrofit & Co. – Richtige Dosierung oft maßgeblich!
Mehr lesen
„Just-in-Time“ (JIT) vs. „Just-in-Sequence“ (JIS) – zwei gängige Bereitstellungsprinzipien im Rahmen der Beschaffungslogistik bzw. Produktionsversorgung, die primär zum Ziel haben, Lagerbestände weitestgehend zu reduzieren und auf diese Weise die Kapitalbindung zu verringern. Doch worin besteht eigentlich der Unterschied? Für wen lohnt sich JIT und unter welchen Umständen empfiehlt sich ein Wechsel auf JIS? Welche Voraussetzungen für die Implementierung müssen gegeben sein bzw. geschaffen werden? Interessant ist zudem, ob sich wirklich sicherstellen lässt, dass die Versorgungskette nicht ins Stocken gerät. Eine solche Frage stellt sich angesichts der Vielzahl globaler Unsicherheiten und Risiken. Verstopfte Straßen und kilometerlange Staus, die die Transporte von einem externen Lager- zum Verbrauchsort behindern, scheinen da ein vergleichsweise geringeres Übel zu sein. Ärgerlich ist es allemal.
Durch die Einführung der Fließbandfertigung im Automobil-Sektor hat Henry Ford seinerzeit die Produktion revolutioniert. Was in einmal geschaffener Form jahrzehntelang bestens funktionierte, verlangte aufgrund steigender Variantenvielfalt spätestens in den 1980er-Jahren ein Um- bzw. Weiterdenken – speziell im Bereich der Beschaffungslogistik. Seither dominieren Bereitstellprinzipen wie „Just-in-Time“ (JIT) und nachfolgend auch „Just-in-Sequence“ (JIS) nicht nur in den Produktionsversorgungskonzepten der Automobilindustrie, sondern auch in denen vieler weiterer Erstausrüster (OEM). Verantwortlich für das Gelingen sind in der Regel Zulieferer oder verbundene Logistikdienstleister. Ihre Aufgabe ist es, erforderliche Bauteile nach Abruf kurzfristig bereitzustellen.
In den meisten Fällen erfolgt die Belieferung bzw. Bereitstellung aus einem in geografischer Nähe angesiedelten, von einem Lieferanten oder einem beauftragten Logistikdienstleister betriebenen Konsignationslager heraus. Die Ware verbleibt bis zur Entnahme in deren Besitz. Vorteil für die Hersteller ist eine geringere Kapitalbildung, da sie keine eigenen Lagerbestände aufbauen und vorhalten müssen, gleichzeitig aber Versorgungssicherheit genießen. Die Belieferung erfolgt in diesem Fall meist per Lkw, organisiert als Shuttle-Verkehr.
Daneben existieren allerdings auch Unternehmen, die ihre Produktion aus einem eigenen, angebundenen Lager oder Logistikzentrum heraus bedienen. Diese Lagerhallen können als automatisches Kleinteilelager (AKL), Hochregallager (HRL) oder auch als konventionell manuell bediente Einrichtung ausgeführt sein. Hier kommen vielfach Routenzüge zum Einsatz, die die angeforderten Materialien just-in-time oder just-in-sequence an die jeweiligen Verbrauchsorte verbringen.
orteile des Just-in-Time-Verfahrens
Nachteile des Just-in-Time-Verfahrens
Vorteile des Just-in-Sequence-Verfahrens
Nachteile des Just-in-Sequence-Verfahrens
Und um auf eine der eingangs gestellten Fragen zurückzukommen: Nein, weder über das JIT- noch über das JIS-Verfahren lässt sich einen 100%-ige Nachschubsicherheit in der erforderlichen Menge und zum gewünschten Zeitpunkt gewährleisten. Sintflutartige Regenfälle, Schneetreiben und Sturmschäden sind ebenso unkalkulierbare Einflussgrößen wie Unfälle, Staus und Straßensperrungen. Auch Naturkatastrophen und Handelskonflikte können unter Umständen dazu beitragen, dass die Versorgungskette unterbrochen wird.
Wenn Sie über die Einführung von Just-in-Time (JIT) oder Just-in-Sequence (JIS) in ihrem Unternehmen nachdenken, sollten Sie zunächst Ihr Produktspektrum in Augenschein nehmen. Zwecks Identifikation jener Bauteile, die für eines dieser Prinzipien in Frage kommen, empfiehlt sich zum Beispiel die ABC-Analyse. Hochwertige Komponenten wie etwa Antriebe, Chassis, Reifen & Co. fallen in die Kategorie A. Sofern der Großteil diese Klassifizierung erfüllt, desto gerechtfertigter ist der mit der Verfahrensimplementierung verbundene Aufwand. Er rechnet sich unter Umständen auch in der Kategorie B; bei C- bzw. Massenbauteilen wie beispielsweise Schrauben und Muttern hingegen nicht.
Die JIT-JIS-Beschaffung bzw. -Versorgung verlangt eine enge Kooperation sowie eine offene Kommunikation zwischen den beteiligten Partnern. Die weitere Herausforderung besteht darin, den Warenfluss exakt auf den Herstellungsprozess abzustimmen sowie die Informationssysteme abzugleichen und entsprechend anzupassen. Zudem sollte die Infrastruktur stimmen. Kurze Wege zwischen (Konsignations-)Lager und Produktion sind ebenso ein entscheidender Parameter für den Erfolg wie Flexibilität und Qualitätsbewusstsein auf Seiten des Zulieferer respektive Logistikdienstleisters.
Vorschlag für eine strukturierte Vorgehensweise:
Die Vorteile einer verbrauchsgesteuerten Nachschubversorgung gemäß Just-in-Sequence (JIS) bringt ein anonymisiertes Praxisbeispiel auf den Punkt: Ein Erstausrüster (OEM) entschied sich für ein neues, in den Verantwortungsbereich eines externen Logistikdienstleister zu übergebendes Bereitstellkonzept. Der Partner betreibt ein eigenes, nur wenige Kilometer entfernt gelegenes Logistikzentrum, über das die Waren zunächst vereinnahmt, geprüft und im Lagerverwaltungssystem erfasst werden. Diesem wiederum werden die Pickaufträge durch das SAP-System des Kunden übermittelt. Die Zustellung der angeforderten Teile erfolgt täglich in mehreren getakteten Zeitfenstern.
Im Werk selbst ist es durch die Umstellung auf das JIS-Prinzip gelungen, Zwischenpuffer aufzulösen und so die die Bestände an den Arbeitsstationen und Montagelinien deutlich zu verringern. Es fallen keine aufwändigen Aus- und Umpackarbeiten mehr an und frei gewordener Platz kann bei Bedarf für die Installation weiterer Montageinseln genutzt werden. Alle aktuell benötigten Bauteile, die in Behältern oder auf Gestellen zugeführt werden, befinden sich heute im direkten Zugriff – und das in der jeweils korrekten Einbaureihenfolge. Durchsatz und Produktivität konnten gesteigert, die Flexibilität erhöht und Kosten eingespart werden.
Sprechen Sie uns gerne an. Wir bewerten Ihre individuelle Situation und helfen Ihnen Ihre Beschaffungslogistik zu optimieren, Lagerbestände zu reduzieren und die Kapitalbindung zu verringern.