Innovative Intralogistik mit KI und Robotik
SAP IT, Steuerungs- und automatisierte Lagertechnik aus einer Hand: Diesem Wunsch und dem damit verbundenen Anspruch nach Schnittstellen- und Risikominimierung beim Logistikzentrum-Neubau von BHS Global Logistics kam IGZ als gesamtverantwortlicher SAP EWM-Generalunternehmer wörtlich „in time, in budget, in quality “ nach. Das neue Logistikzentrum am Standort Weiherhammer vereint die Produktionsversorgung und Ersatzteildistribution für BHS Corrugated, globaler Lösungsanbieter für die komplexen Anforderungen in der Wellpappenindustrie, unter einem Dach. Zugleich eröffnet die Plattform auf Basis einer unternehmensweiten SAP EWM- und SAP TM-Strategie eine Vielzahl an Optionen, neue Geschäftsmodelle zu implementieren.
BHS Global Logistics GmbH ist Kompetenzpartner der BHS Corrugated Maschinen- und Anlagenbau GmbH. Als Lifecycle-Partner im digitalen Zeitalter bietet BHS Corrugated mit weltweit mehr als 3.200 Mitarbeitenden seinen Kunden neben der Entwicklung und Produktion von Riffelwalzen sowie Einzelmaschinen und kompletten Wellpappenanlagen eine Vielzahl an Lifecycle Services und digitalen Dienstleistungen. Aufgabe von BHS Global Logistics ist es, die Supply Chain des Maschinen- und Anlagenbauers sicherzustellen. BHS Global Logistics nutzt zudem seine Expertise, um End-to-End-Lösungen in der Outboundlogistik erfolgreich am Weltmarkt für Drittkunden anzubieten. Das Portfolio an Logistikprodukten wird sich kontinuierlich weiterentwickeln.
Wachstumserwartungen erfordern Neuausrichtung
Analog zu dieser strategischen Ausrichtung fungiert das neue Logistikzentrum im oberpfälzischen Weiherhammer (Bayern) als Dreh- und Angelpunkt für das operative Geschäft. Die Beweggründe, rund 38 Mio. Euro in den Neubau zu investieren, kennt Alexander Walberer, Managing Director BHS Global Logistics: „Die Lagerkapazitäten in Weiherhammer wurden knapp und das Wachstum der BHS Corrugated war mittelfristig nicht mehr abbildbar. Konkret bedeutet dies, dass wir den aktuell über den Produktionsstandort generierten Umsatz von etwa 600 Mio. Euro in den nächsten fünf bis sechs Jahren verdoppeln wollen.“ Um dies zu erreichen, waren neue Fertigungs- und Montagekonzepte umzusetzen, unter anderem die Umstellung auf Baugruppenfertigung, die auch die Errichtung einer weiteren Montagehalle bedingten.
Fortführung der Projektpartnerschaft in turbulenten Zeiten
Make or buy? Unsicher war zunächst, ob die Abwicklung der In- und Outboundlogistik in Eigenregie durchgeführt oder von einem Logistikdienstleister übernommen werden sollte. Unabhängig von der abschließend noch zu treffenden Entscheidung, die Logistik letztlich als Kernkompetenz unter Federführung von BHS Global Logistics zu halten, hatte IGZ Mitte 2020 mit der Erstellung des Feinkonzepts begonnen und die Prozesse im Rahmen der anstehenden Migration in SAP EWM definiert. Im Zuge dessen wurde ebenfalls festgelegt, dass SAP EWM als embedded Version in der Private Cloud abgebildet und SAP EWM/MFS die SPS-Steuerungen direkt ansteuern soll. Das stimmige Gesamtkonzept sowie die ausgewiesene Expertise und Erfahrung als SAP EWM-Generalunternehmer waren nur einige ausschlaggebende Argumente, die SAP Ingenieure, Marktführer für SAP EWM/MFS, aus Falkenberg auch mit der Realisierung des Logistikzentrums zu beauftragen.
Das weiterführende Projekt startete im Oktober 2021 mit der Spezifikation der Anlagen- und Steuerungstechnik – inmitten der Pandemie und nur wenige Wochen nach dem offiziellen Spatenstich Ende September. Intensive Tests wurden mit der IGZ-Anlagenemulation durchgeführt. Diese bildete als „Digitaler Zwilling“ die Anlage 1:1 ab und ermöglichte bereits vor Inbetriebnahmebeginn realitätsnahe und durchgängige Tests, wodurch einerseits den pandemiebedingten Beschränkungen Rechnung getragen sowie zugleich die Inbetriebnahmezeit signifikant verkürzt werden konnte. Die positiv beschiedenen Ergebnisse sowie auch die erfolgreichen Tests an der Anlage bildeten die Voraussetzung für einen erfolgreichen Go-Live des Logistikzentrums im dritten Quartal 2023.
Komplexe Prozesse im übersichtlichen Layout
Das Logistikzentrum mit integrierter Ersatzteildistribution wurde auf rund 26.500 m² Grundfläche errichtet. Es entspricht den Anforderungen des neuen Energiestandards BEG (BEG 55) und ist bereits DGNB-klimazertifiziert. Zentrale Funktionsbereiche im Innern sind ein automatisches Kleinteilelager (AKL) mit mehr als 34.000 Behälterstellplätzen in drei Gassen, ein 14-gassiges manuelles Palettenlager mit rund 7.900 Stellplätzen und ein auf eine Regalkapazität von 7.000 lfm. ausgelegtes Kragarmlager. Das AKL verfügt über eine Anbindung an den Wareneingang inklusive vorgelagerten Umpackplätzen. Angeschlossen sind ferner drei Kommissionier- sowie acht Packplätze.
Automatisierte Kommissionierung mit Pick-by-Robot
Das Thema Automatisierung bestimmte nicht zwingend die Agenda. Jedoch merkt Alexander Walberer an, dass man schon immer davon geträumt habe, „Robotik in der Logistik einzusetzen“, um beispielsweise auch bei Personalengpässen einen konstanten Warenfluss sicherzustellen. Im Bereich der Einzelstückkommissionierung steht den Mitarbeitenden von BHS Global Logistics heute der Kommissionierroboter LUKE3 zur Seite. Dieser arbeitet nicht nur zuverlässig und ermüdungsfrei, er ist zudem in der Lage, durch einen automatisierten, jeweils sekundenschnell an das Pick-Gut angepassten Greiferwechsel ein breites Artikelspektrum abzudecken. „Damit haben wir etwas Einmaliges für uns geschaffen“, sagt Alexander Walberer. „Der Roboter kann Teile aus dem AKL mit einer bestimmten Verpackung und zu einem bestimmten Gewicht selbständig vorkommissionieren. Und durch künstliche Intelligenz lernt LUKE fortwährend selbständig dazu“. Machine Learning unterstützt folglich auch die automatische Stammdatenpflege. Gleichzeitig kompensiert der Roboter den anhaltenden Personalmangel, springt bei Urlaub oder Krankheit ein – wahlweise autark oder parallel zum Menschen – und lässt sich bei anstehendem Mehrschichtbetrieb jederzeit aktivieren.
Vollautomatische Behälter- und Produkterkennung
Für Qualität und Sicherheit sorgt auch das IGZ Best-Practice “HAWK“. „Eine über der Fördertechnik angebrachte Hochleistungs-Kamera, von Kunden gerne auch als ‚Auge der Logistik‘ bezeichnet, dient der fortlaufenden, vollautomatischen und kameragesteuerten Verifikation“, ergänzt Alfred Meyer, Geschäftsführer der IGZ Automation GmbH. „Das System ermöglicht eine vollumfängliche Inhaltskontrolle von bewegten Behältern auf der Fördertechnik, erkennt Anomalien auf Basis von KI und spart im Fall von BHS Global Logistics unter anderem Zeit durch eine automatische Zuweisung in Gefache.“ So werden selbst geringfügige, durch Menschen verursachte Fehler, die in automatisierten Prozessen immer noch passieren können, eliminiert. HAWK ist so gesehen ein smartes „Quality Gate“.
Eine lückenlose Visualisierung ist auch im Logistikleitstand entscheidend. Dort setzen beide Unternehmen auf das Smart Logistics Cockpit inklusive 3D-Anlagenvisualisierung in SAP EWM und in modernstem SAP Fiori-Design, ebenfalls ein Best-Practice der IGZ. Hier laufen alle relevanten Informationen zusammen und bieten bei individualisierbarem Detailierungsgrad eine Übersicht über die Gesamtanlage, Betriebsstände und alle wichtigen KPIs (Key Performance Indicators). Proaktive, automatische Alert-Meldungen ermöglichen ein frühzeitiges Reagieren, um weitreichende Probleme oder auch Engpässe noch vor deren Auftreten auszuschließen. Eine Besonderheit ist, dass über diesen zentralen Leitstand die Ersatzteildistribution, die Versorgung der beiden Fertigungsstandorte Weiherhammer und Tachov (CZ), als auch die gesamte Betriebstechnik abgebildet ist. Nutzung und Abruf sind auch auf mobilen Devices möglich, sodass sämtliche Informationen rollenbasiert immer und überall verfügbar sind.
Unternehmensweite SAP EWM- und SAP TM-Strategie
„Eine möglichst hohe Performance bzw. Durchsatzleistung dank Automatisierung kann nicht das alles entscheidende Kriterium sein“, erklärt Alfred Meyer. „Erfolg in der Intralogistik bedingt gleichermaßen ein Höchstmaß an Qualität bei kontinuierlicher Prozesssicherheit. Vor diesem Hintergrund haben wir bei der IGZ unsere Best-Practices entwickelt, die die SAP-Standardsoftware ergänzen, sodass das vollständige Potential ausgeschöpft wird und gleichzeitig ansonsten vielfach komplexe Abläufe zur Fehlerminimierung und Qualitätssicherung verdichtet innerhalb nur einer Lösung zusammengefasst werden. Künstliche Intelligenz spielt hier schon länger eine wichtige Rolle.“
In diesem Sinne wird für BHS Global Logistics auch die Migration auf SAP Transportation Management (SAP TM) kein kompletter Neustart sein, da die Transportdienstleisteranbindung, Labelerstellung etc. bereits in SAP EWM mit dem Best Practice Extended SAP Express-Ship-Interface gelöst ist. Angesichts des auf 2030 begrenzten Supports für diese Basis-Version mit eingeschränkten Funktionsumfang haben beide Unternehmen jedoch schon längst Optimierungs- und Einsparpotenziale identifiziert, die der Wechsel mit sich bringt. Diese lassen sich sowohl unternehmensweit nutzen als auch auf externe Mandanten anwenden. So eröffnen sich mit SAP TM zum Bespiel neue Möglichkeiten bei der Transportplanung im multimodalen Umfeld, bei der Transportdienstleisterauswahl und -beauftragung, der Laderaumoptimierung, dem Monitoring und der Frachtkostenberechnung sowie der Lagerintegration. „Ziel ist eine vollumfängliche SAP S4/HANA Lösung, bei der EWM und TM sowie alle SD-, PP-, MM-, QM- und FI/CO inkludiert sind“,so Alexander Walberer. „Das ist unser Ausblick, da wollen wir hin.“
Generalunternehmerschaft als Erfolgsgarant
„Die Zeitschiene wurde so definiert und punktgenau gehalten. Damit haben wir es gemeinsam geschafft, trotz Herausforderungen wie der Pandemie dieses Projekt erfolgreich abzuwickeln.“ Auch die Beauftragung von IGZ als SAP EWM-Generalunternehmer habe sich als goldrichtig erwiesen. „Wir haben nicht den Fehler gemacht, wie viele vor uns, zum Beispiel das AKL, die Fördertechnik oder die Schaltschränke separat einzukaufen. Das hätte vielmehr unnötige Schnittstellen und Gefahrenpotenzial erzeugt.“ Stattdessen lieferte die IGZ alles aus einer Hand und es gibt auch zukünftig nur eine Hotline für IT, Steuerung und Mechanik.
Mit der Implementierung von SAP TM wird voraussichtlich 2024 begonnen. Parallel soll SAP EWM unternehmensweit in der Produktionslogistik ausgerollt werden, die teils noch WM-geführt ist. Dabei wird der Stellenwert von künstlicher Intelligenz (KI) und Bilderkennung steigen. Weiterhin möchte BHS Global Logistics später autonome Flurförderzeuge in die Prozesse einbinden. „Wie wir uns inzwischen kennen- und schätzen gelernt haben, werden die beiden Projekte nicht die letzten gemeinsam mit der IGZ sein“, zieht Alexander Walberer augenzwinkernd Zwischenbilanz.
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