SAP EWM/MFS und neue Technik aus einem Guss

Logistik-Retrofit bei Engel Austria erfolgreich abgeschlossen

Steigende Prozessanforderungen haben Engel Austria dazu veranlasst, das Logistikzentrum in Schwertberg nach einer Nutzungsdauer von rund 20 Jahren einem umfassenden Retrofit sämtlicher Anlagenbereiche sowie der Logistik-IT zu unterziehen. Das komplexe Maßnahmenpaket wurde im laufenden Betrieb in mehreren Baustufen umgesetzt, um die Lieferfähigkeit trotz der umfangreichen Eingriffe ununterbrochen sicherzustellen.

Die Partnerentscheidung fiel auf IGZ als SAP EWM-Generalunternehmer. Zusätzlich zu allen Modernisierungsmaßnahmen der Anlagentechnik hat IGZ auch das SAP Extended Warehouse Management (SAP EWM/MFS) als neue Lagerverwaltungssoftware mit direkter Anbindung der Steuerungstechnik implementiert. Das Resultat ist eine nun durchgängig optimierte, mit Leistungsreserven versehene Produktionsversorgung, die sich flexibel an neue Anforderungen anpassen lässt. Für Engel Austria ein massiver Gewinn in Bezug auf Leistung, Verfügbarkeit und Zukunftssicherheit.

Kompromisslose Qualität, hohe Innovationskraft und weltweite Kundennähe – auf diesen Säulen hat die Engel Austria GmbH seit Gründung im Jahr 1945 ihren Erfolgskurs stabil fortgesetzt. Das Familienunternehmen aus dem oberösterreichischen Schwertberg gilt als eine führende Marke im Spritzgießmaschinenbau. Daran arbeiten rund 6 400 Beschäftigte in neun Produktionswerken in Europa, Nordamerika und Asien sowie weltweit 30 Vertriebs- und Serviceniederlassungen, die im Geschäftsjahr 2020/2021 einen Umsatz von insgesamt 1,1 Mrd. Euro erzielten. Während in Österreich Großmaschinen in St. Valentin hergestellt werden, ist der Hauptsitz in Schwertberg auf die Klein- und Mittelmaschinenfertigung spezialisiert. Über das angegliederte, vor etwa 20 Jahren in Betrieb genommene dortige Zentrallager werden die Montageplätze mit den jeweils benötigten Komponenten versorgt. Parallel dient es der Ersatzteilbevorratung und dem -versand. „Der sprichwörtliche Zahn der Zeit machte sich zuletzt bemerkbar“, berichtet deren Warehouse Manager Hannes Leitner. „Die Anlagenverfügbarkeit ging zurück und der Aufwand für die Ersatzteilbeschaffung war nicht mehr zeitgemäß. Gleichzeitig waren wir aufgefordert, die Prozesse an die steigenden Produktionszahlen anzupassen und die Technik für neue Anforderungen vorzubereiten, wie etwa die Integration von Routenzügen.“

Durchdachtes Stufenkonzept

Das Montageversorgungszentrum umfasst ein automatisches Kleinteilelager (AKL) mit 10 200 Behälterstellplätzen und ein Hochregallager (HRL), in dem rund 3 800 Paletten einfachtief Platz finden. Über die nachlassende Verfügbarkeit der 06Systemkomponenten hinaus waren die Abläufe im Lager sowie dessen Organisation zu optimieren. Zur Kommissionierung ausgelagerte Behälter nahmen zum Beispiel einen Umweg über die Paletten-Fördertechnik, sodass ein Mehrfachhandling anfiel und die Durchlaufzeiten zu lang waren. Dieser Aufwand sollte unter anderem durch neu zu implementierende Verdichtungsprozesse verringert werden. Ferner war auf Behälterebene ein verbesserter Volumennutzungsgrad zu realisieren.

Entsprechend hoch waren die Erwartungen an den zukünftigen Planungs- und Retrofitpartner. „Die IGZ hat eindeutig das für uns am besten geeignete Gesamtkonzept vorgelegt“, bekräftigt Joachim Metzmacher, CPO der Engel Gruppe. „Direkt überzeugt haben der Ansatz, im Vorfeld der Planung eine Retrofit-Analyse durchzuführen und die Modernisierung und Migration in mehreren Stufen vorzunehmen.“ Weiter entscheidend sei gewesen, dass die SAP Ingenieure aus der Oberpfalz sowohl die Anlagentechnik und -steuerung als auch die Einführung von SAP EWM inklusive Materialflusssteuerung mit SAP MFS (SAP Material Flow System) aus einer Hand planen und umsetzen konnten. Schnittstellen konnten somit vermieden werden. Denn insbesondere die Sicherung des fortwährenden Lagerbetriebs auch während der Modernisierung hatte oberste Priorität. „Mit unserem Portfolio bei IGZ besitzen wir das optimale Setup für Modernisierungen, Erweiterungen und Neubauten mit SAP EWM/MFS. So gehören tiefgreifende Planungen und Realisierungen von Migrationen unter unserer Gesamtverantwortung zu unserem Tagesgeschäft. Diese konnten wir bei Engel erfolgreich einbringen.“, so Christian Mattes Geschäftsführer von IGZ.

Ehrgeizige Projektziele

Die aus der von IGZ durchgeführten Ist-Aufnahme und Retrofit-Analyse resultierenden Ergebnisse sind direkt in die Konzeptentwicklung mit eingeflossen. So zeigten sich Alterserscheinungen bei den Antrieben und Fahrschienen sowie der Sensorik und Steuerungstechnik der Regalbediengeräte (RBG) im Paletten-HRL. Die AKL-RBG mussten hingegen gegen neue Geräte ausgetauscht werden. Abzulösen war darüber hinaus die Fördertechnik samt Querverschiebewagen und den auf S5 basierenden Steuerungen ein-schließlich der gesamtem Sensorik.

Hinzu kamen weitere Restriktionen: Das Prinzip, angeforderte Teile aus dem AKL und HRL über Fördertechnik zuzuführen und zu konsolidieren, erwies sich als ineffektiv. Statt statisch an einem Fixpunkt, sollten die Pickaufträge an beliebiger Stelle gestartet und dynamisch über Routenzüge zusammengefasst werden können. Auch in puncto Ergonomie zeigten sich Verbesserungspotenziale und das proprietäre Lagerverwaltungssystem bot keine weiteren Entwicklungsmöglichkeiten. „Quintessenz war unter anderem, in der Kommissionierung das Prinzip Ware-zur-Person zu implementieren und für das Kleinteilelager sowie das Hochregallager je eine redundante Lagervorzone zu schaffen“, erklärt IGZ-Projektleiter Robert Bauer. „Auch die Abhängigkeiten erzeugende Zwangsverkettung war aufzuheben und verschiedene Pick-Starts unter Berücksichtigung von Bereichslasten, Montagetakten, Wareneingangspufferung und Abzug sollten künftig möglich sein.“ Zudem sollten sich Ersatzteilaufträge priorisieren lassen, ad-hoc-Entnahmen zulässig sein und Umbuchungslieferungen angestoßen werden können. Zu guter Letzt war ein neues Behälterkonzept mit Einsatzkästen vorgesehen, um den Füllgrad des AKL zu steigern.

Austausch und Tuning nach Plan

Die Modernisierungsarbeiten starteten im Oktober 2018. Im ersten Schritt wurden sukzessive die Paletten-RBG mechanisch und steuerungstechnisch überholt. Parallel hat IGZ auf der Wareneingangsseite des Lagers eine Bühne eingerichtet, die den Gassenzutritt erleichtert. In einer zweiten Baustufe erfolgte der komplette und sukzessive Austausch der AKL-RBG. In Phase 3 wurden in der Lagervorzone neue Fördertechnikstrecken für Paletten und Behälter auf Seiten des Wareneingangs installiert. Gleichzeitig hat IGZ für die IT-Prozesse aller bis dahin umgebauter Funktionsbereiche das SAP EWM einschließlich SAP MFS eingeführt und erfolgreich produktiv genommen.

Im letzten Schritt wurde die Fördertechnik auf der gegenüber liegenden Lagerseite erneuert, die eine ergonomische Kommissionierung und die Ganzauslagerung für Paletten und Behälter unterstützt. Infolge konnte auch diese Zone auf die SAP-Standardsoftware aufgeschaltet werden. Mit der erfolgreichen Produktivsetzung des rundum erneuerten, jetzt vollständig in SAP EWM/MFS verwalteten und gesteuerten Gesamtsystems Anfang März 2020 waren auch die Voraussetzungen dafür geschaffen worden, die Montage taktgenau per Routenzug mit mehreren Aufträgen gleichzeitig zu versorgen. Die Anlagensteuerung basiert zudem heute durchgängig auf Siemens S7–1500 TIA-Portal inklusive umfangreicher Anlagenvisualisierungs-Funktionen.

Leistungssteigernde Features mit Best Practices

Eine weitere Neuerung, die unmittelbar deutliche Effizienz- und Zeitgewinne schafft, ist Pick-by-Motion, ein IGZ Best Practice für SAP EWM. Hierbei handelt es sich um eine hochperformante und zugleich flexible Kommissionier-Methode mit Gestensteuerung. Die Lösung ist gegenüber herkömmlichen Verfahren mit geringerem Technikeinsatz und -invest verbunden. Die Werker werden über SAP EWM-Dialoge geführt, der Greifvorgang und die automatische Verbuchung in SAP erfolgen jedoch mit nur einer Bewegung. Das spart Zeit. Maximale Picksicherheit ist zudem über die visuell gestützte Eingriffs- und Zielbehälterkontrolle gewährleistet. Die Kommissionierer haben während ihrer Arbeit stets die Hände frei und können aufgrund der intuitiven Bedienbarkeit schnell eine hohe Leistung erzielen. Aufwendige Schulungen sind nicht erforderlich. Bei Bedarf kann über SAP EWM auch eine dynamische Bestückung der Quell- und Zielplätze mit Behältern angestoßen werden.

Zusätzliche Leistungssteigerung wurde mit dem Smart-Logistics-Cockpit erreicht, einem weiteren IGZ Best Practice für SAP EWM. Es handelt sich um einen proaktiven, systemübergreifenden Logistikleitstand für die effizientere Bewältigung des täglichen Arbeitsaufkommens. In diesem Leitstand ist zudem eine Visualisierung integriert, die mit dem anwenderfreundlichen Design der SAP Fiori Technologie realisiert wurde. „Auch dieses IGZ Best Practice bietet wertvolle Unterstützung im operativen Betrieb“, unterstreicht Georg Prinz, der verantwortliche IT-Organisator bei Engel Austria. „Wir haben jederzeit einen Überblick über den Anlagen- und Auftragsstatus sowie relevante Kennzahlen. Sämtliche Informationen sind online bzw. in Echtzeit verfügbar und können für Feinjustierungen genutzt werden. Und das auf einer einzigen Plattform.“ Sollten sich kritische Betriebszustände anbahnen, erzeugt das System proaktive Alert-Meldungen.

Prozesse, IT und Mechanik auf neuestem Stand

Auch fallen bei Engel Austria heute keine zusätzlichen Verdichtungsprozesse mehr an, da dies direkt im Wareneingang geschieht. „Dank der neuen Behälter mit Einsatzkästen, deren Inhalt lückenlos via IGZ-Scanstation erfasst wird, konnten wir den Lagerfüllgrad im Kleinteilelager erhöhen und profitieren gleichzeitig mit der SAP EWM Lösung von einem hohen Maß an Transparenz“, sagt Warehouse Manager Hannes Leitner.

Durch Pick-by-Motion konnte zudem die Performance und Sicherheit im Bereich der Behälter-Kommissionierung gesteigert werden. Parallel wurde eine 100 %-Redundanz der Pickbereiche durch Einrichtung beidseitig vollwertiger Lagervorzonen erreicht. Die modernisierte Anlage bietet nun hinreichend Leistungsreserven, um auf Spitzen flexibel reagieren zu können.

Eine positive Bilanz zieht auch CPO Joachim Metzmacher: „Unsere Zielvorgaben wurden vollumfänglich in-time und in-budget eingehalten. Durch das von IGZ umgesetzte Retrofit-Projekt mit SAP EWM/MFS Standardsoftware haben wir unsere Betriebskosten im Griff und sind zukunftssicher aufgestellt. Um die erfolgreiche Partnerschaft auf andere Standorte auszurollen, sind bereits weitere Projekte mit IGZ als SAP EWM-Generalunternehmer in Realisierung.“


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