K+S – Digitalisierungsoffensive

SAP MII als Plattform für Industrie 4.0

Historisch gewachsene Prozesse und Strukturen zu verändern, braucht Zeit, ist jedoch angesichts der globalen Veränderungen und des digitalen Wandels alternativlos. Deshalb hat sich ein Unternehmen mit SAP MII als zentralem MES gewappnet, um weitere Industrie-4.0-Anforderungen anzugehen und erfolgreich umzusetzen.

Die K+S AG setzt konsequent auf das Potenzial einer nahtlosen vertikalen Prozessintegration und nutzt dafür SAP MII (SAP Manufacturing Integration and Intelligence) als Plattform für integrierte Werksanwendungen. Um deren Umsetzungsgeschwindigkeit bei maximaler Prozesssicherheit zu erhöhen, kommen die vom Implementierungspartner IGZ entwickelten SAP MII Best-Practice-Pakete zum Einsatz. Die Wurzeln von K+S reichen zurück bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts, als Bergarbeiter in Deutschland erstmals Kalilagerstätten erschlossen und die Düngemittelproduktion aufnahmen. Heute ist das börsennotierte Bergbauunternehmen mit mehr als 14 000 Mitarbeitenden international präsent und erwirtschaftet einen Umsatz von rund 4 Mrd. EUR (Geschäftsjahr 2018). Die Mission von K+S ist es, das Leben durch die Veredelung von Mineralien zu unverzichtbaren Produkten für Landwirtschaft, Industrie, Verbraucher und Gemeinden zu bereichern. Bereits 2008 hat sich K+S für die Einführung des zum damaligen Zeitpunkt neuen SAP Extended Warehouse Management (SAP EWM) zur direkten Anbindung eines automatischen Hochregallagers am Standort Bernburg für IGZ als Implementierungspartner entschieden. Im Bereich der Produktion wurde die SAP Strategie von K+S bereits 2009 mit der Einführung der offenen Plattform SAP Manufacturing Integration and Intelligence (SAP MII) konsequent weiterverfolgt und damit die Voraussetzungen geschaffen, den kontinuierlichen Verbesserungs- und Harmonisierungsprozess in den Werken verstärkt voranzutreiben.

Einheitliches Integrationskonzept

Die Entscheidung für SAP MII war begründet in der Reduzierung der Schnittstellenvarianten von Produktionslösungen durch ein einheitliches Integrationskonzept. SAP MII verbindet heute operative Abläufe in Produktion, Verladung, Logistik und Instandhaltung inklusive der zugehörigen Maschinenanbindungen mit dem SAP ERP-System der K+S Gruppe. Innerhalb der vergangenen zehn Jahre entstanden so, in enger Zusammenarbeit mit den Prozessverantwortlichen und fachlichen Experten der K+S Standorte, diverse Industrie 4.0 Integrations-Lösungen. Ende 2017 wurde dann die neue K+S Gruppenstrategie „Shaping 2030“ vorgestellt, die als Kompass für die zukünftige Konzernentwicklung dient. Die vorbereitenden Initiativen mit Einsatz von SAP MII konnten in diese Strategie uneingeschränkt aufgenommen werden. Besonders wichtig war K+S dabei stets, dass die mit IGZ entwickelten SAP MII Template-Anwendungen mittels Konfigurierbarkeit auch flexibel auf die spezifischen Bedürfnisse der einzelnen Werke anpassbar sind. Die Einführung von SAP MII markiert gleichzeitig die Fortsetzung des strategischen Einsatzes von SAP im Industrie-4.0-Umfeld bei K+S und den Beginn einer langjährigen Zusammenarbeit mit IGZ. In dieser Zeit wurden vier MES-Template-Anwendungen für erweiterte Kernbereiche entwickelt und auf verschiedene Werke ausgerollt: Fill+Pack (Abfüllung und Verpackung von Sack- und Big-Bag-Ware), IVL (Integrierte Schüttgutverladung auf Lkw, Bahn und Schiff), PM-Integration (Instandhaltung auf Basis von Sensordaten) sowie OEE (Erfassung und Auswertung der Gesamtanlageneffektivität).

Abläufe passgenau abbilden

Bei einem Template handelt es sich praktisch um eine Designvorlage. „Wir nehmen eines unserer Werke, bauen die Anwendung mit Weitblick auf und übertragen diese auf weitere Standorte, das spart Zeit und verringert den Ressourceneinsatz“, berichtet Martin Pflüger, Head of IT Plant Integration & Maintenance bei K+S. „Natürlich lässt sich das Modell aufgrund gewachsener Strukturen nicht stets 1:1 adaptieren. Aber dank der Konfigurierbarkeit können auch die spezifischen Anforderungen der einzelnen Werke abgedeckt werden.“ SAP MII hat bis dato existierende Inselsysteme abgelöst, die hohen Betreuungsaufwand verursachten, die Datenkonsistenz beeinträchtigten und teils nicht mehr erweiterbar waren. Stattdessen lassen sich heute relevante Shop-Floor-Abläufe passgenau auf nur einer einzigen Plattform abbilden. Über das SAP MII Best Practice „Fill+Pack“ erfolgt die Produktionssteuerung nicht mehr papier- sondern systemgestützt – und dies einheitlich für verschiedene Anlagentypen. So werden parallel zum Auftragsstart über den Produktionsleitstand die Verpackungslinien automatisch mit zugehörigen Parametern versorgt. SAP MII meldet Mengen und Qualitätsinformationen in Echtzeit an das ERP-System zurück, sodass auch auf Dispositionsebene Transparenz herrscht. Die Mitarbeiter im Shop-Floor profitieren von aktuellen Statusinformationen der angebundenen Aggregate und erkennen ad hoc Störungen sowie deren Gründe. „Eine weitere Vereinfachung besteht darin, dass Etiketten, die an den Säcken und Paletten anzubringen sind, nicht mehr manuell erzeugt werden müssen“, ergänzt Martin Pflüger. Stattdessen generiert das MII-System auch diese automatisch und sorgt für eine lückenlose Rückverfolgbarkeit.

Reibungsloser Datentransfer

Ein Großteil des Aufkommens an loser Ware wird in den Werken der operativen Einheit „Europe+“ heute über den dialoggesteuerten, integrierten Verladeleitstand (IVL) abgewickelt. Die kerngeschäftsnahe Werksanwendung auf Basis von SAP MII dient einer hochautomatisierten Verladung von Schüttgut und verbindet die SAP Transportlogistik mit Fahrzeug-, Radlader-, Gefäß- und Bandwaagen für die Lkw-, Bahn- und Schiffsbeladung. Dabei werden Beladezeiten, Gewichte sowie registrierte Lkw-Kennzeichen, Waggon- und Plomben-Nummern direkt an das SAP ERP-System übermittelt und der automatische Druck der Lieferpapiere angestoßen. Im Zuge des IVL-Rollouts auf den Salzstandort Borth wurde 2014 mit Einführung der automatisierten, RFID-unterstützten Lkw-Beladung ein für K+S elementarer Meilenstein in der Prozessautomatisierung erreicht. Dort sind täglich bis zu 11 Lkw für den Transport von rd. 4 000 t Steinsalz zum nahegelegenen Hafen Wesel im Einsatz. Gesteuert durch die Prozessleittechnik sind bei einer Umlaufzeit von weniger als 60 Minuten somit stündlich bis zu 20 Lkw zu be- und entladen. Erforderliche Daten werden vom SAP-System geliefert und nach Abschluss der Verladung ebenso automatisiert vom PLS-System in die SAP-Welt übertragen. Der Verladeprozess im Werk wird über eine vom SAP MII ausgestellte RFID-Karte gesteuert. Der Lkw-Fahrer erhält mit der Karte Zugang zum Werksgelände, führt damit selbstständig die Leerverwiegung des Lkw durch und meldet sich anschließend an der Verladestelle an, wo der Lkw automatisch mit dem richtigen Produkt sowie der ermittelten maximalen Zuladung beladen wird. „Uns war schon sehr früh klar, dass nicht nur ein optimaler Verkehrsfluss wichtig ist. Mindestens ebenso wichtig ist der reibungslose Transfer auf der Datenautobahn“, berichtet Dirk Heinrich, Leiter Produktion und Technik über Tage (Werk Borth). „Daher musste eine Verknüpfung der SAP Systeme mit der Prozessleittechnik des Werks und des Verladebetriebs im Stadthafen realisiert werden. Gemeinsam mit der K+S IT und IGZ konnte eine sehr effektive Lösung gefunden werden, die seit Anfang 2015 perfekt läuft. Dies ist ein äußerst erfolgreiches Beispiel für Industrie 4.0 in der Grundstoffindustrie.“

Globale Erfordernisse abgedeckt

Nachdem sich K+S bereits 2011 Lizenzen für die Kali-Gewinnung in Kanada gesichert hatte, wurde in den Folgejahren in Bethune (Provinz Saskatchewan) ein hochmodernes Werk gebaut: K+S Potash Canada (KSPC). Angesichts des Tatbestands, dass in den Weiten Kanadas Züge mit bis zu 177 Waggons zu je 103 t (Zuladung) verfahren, waren im Vorfeld des IVL-Rollouts im Jahr 2017 Anpassungen an der MII-Anwendung vorzunehmen. So hat IGZ zusammen mit den Prozessspezialisten von K+S das Template für KSPC mit Zusatzfunktionen bestückt, über die eine Liefer- und Reihenfolgenbildung für die Zugbeladung sowie eine automatisierte Waggon-Positionierung möglich ist. Zudem wurde zur Unterstützung der Qualitätskontrolle eine Funktion zur Bildung von Probengruppen samt Label-Druck umgesetzt. Darüber hinaus sind eine adäquate Wartungsplanung und Steuerung auf Basis aktueller Maschinenwerte für K+S von fundamentaler Bedeutung. Diese erfolgte oft ungeachtet der tatsächlichen Maschinenlaufzeiten nach einem starren Zeitintervall oder bereits zählerstandsbasiert, jedoch via Handnotiz und manueller Nacherfassung im ERP. Zur Eliminierung von Unschärfen sollten Messwerte von verbauten Motoren, Pumpen, Getrieben und Turbinen automatisiert in das SAP ERP übernommen und dort ausgewertet werden können. Gelöst wurde dies durch die Integration von Sensorwerten aus Prozessleitsystemen mittels SAP MII und der SAP PM gestützten Wartungsplanung. „Vorteil ist, dass die Wartungsplanung jetzt unter Berücksichtigung aktueller Werte, ohne zeitlichen Versatz und medienbruchbedingten Eingabefehlern, erfolgen kann“, wirft Martin Pflüger ein. Auch das neue Kali-Werk in Bethune sowie der Salzstandort Silver Springs in den USA werden demnächst von der SAP MII PM-Integration profitieren, wie aktuell schon Zielitz in Sachsen-Anhalt. Um Störungen zu minimieren und effektiver zu arbeiten, werden mittels SAP MII rund 1000 Messpunkte über OPC erfasst, zusammengefasst und an das Instandhaltungsmodul im SAP ERP weitergeleitet. Ausgeklügelte Funktionalitäten in der MII-Anwendung ermöglichen die Konfiguration und das Mapping von Sensordaten sowie die Erstellung von Dashboards. Laufzeiten und Zustandsdaten werden direkt online erfasst. Die Kopplung von SAP MII mittels OPC an die Automationsebene wurde durch den im SAP MII enthaltenen Connector SAP Plant Connectivity gelöst.

Weitere 4.0-Aufgaben in Arbeit

Das jüngst entwickelte OEE-Template-Paket fokussiert die Gesamtanlageneffektivität von Verpackungsanlagen. Neben dem „Weihenstephaner Standard“ finden in der SAP MII OEE-Anwendung auch K+S-spezifische Kennzahlen Berücksichtigung. „Die OEE Onlineerfassung kann das Bewusstsein im Produktionsmanagement verändern. Störungen und Leistungen sind offensichtlich und werden nicht mehr als gegeben akzeptiert, sondern ständig hinterfragt“, ergänzt Martin Hanewinkel, Leiter Siedesalzbetrieb Werk Bernburg. „Man kennt die Laufzeiten und Kosten jedes Artikels und jeder Maschine. Diese Daten helfen uns, Treiber für Verluste und Verschwendung aufzuspüren und zukünftig auszuschließen.“ Nachdem auf Basis der konzerninternen SAP MII-Strategie in den vergangenen Jahren bereits zahlreiche Integrations-Projekte erfolgreich umgesetzt worden sind, hat sich die Dynamik der Digitalisierung der Werke durch die Initiative „Shaping 2030“ nochmals verstärkt. Im Hinblick auf das MES sind hierbei insbesondere verbesserte Echtzeit-Kennzahlen (OEE) sowie ein weiter beschleunigter Rollout der MII-Applikationen „Fill&Pack“, „IVL“ und „PM-Integration“ zwecks Systemkonsolidierung über diverse internationale Werke von Relevanz. „Bei der Umsetzung der großen Bandbreite von K+S-Werksanwendungen nutzte K+S vor allem die starke Flexibilität von SAP MII sowie die branchenspezifischen Best Practice Lösungen der IGZ“, kommentiert IGZ Bereichsleiter Christian Köllner den erreichten Stand bei K+S. „Historisch gewachsene Prozesse und Strukturen zu ändern, braucht Zeit“, sagt Martin Pflüger. „Angesichts der globalen Veränderungen und des digitalen Wandels ist dies jedoch alternativlos.“ Mit SAP MII als zentralem MES sei K+S bestens gewappnet, weitere Industrie 4.0-Anforderungen anzugehen und erfolgreich umzusetzen. Auch wird die von jährlichen Strategieworkshops begleitete sehr gute Zusammenarbeit mit IGZ fortgesetzt. „Der Schlüssel für erfolgreiche Integrationsprojekte liegt in der engen, interdisziplinären Zusammenarbeit von Automatisierungstechnik und IT, verbunden mit der Expertise innovativer Prozesseigner. IGZ, das SAP Projekthaus für Logistik und Produktion aus Falkenberg, hat in diesem Kontext fortwährend ausgewiesenes Know-how für Prozessleit- und Anlagenintegration inklusive Maschinenanbindung unter Beweis gestellt“, so Pflüger weiter. Der Rückgriff auf SAP MII-Templates habe zudem die Vorhaben beschleunigt und garantiere eine zielsichere Umsetzung.


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