Werner & Mertz – Von der Batch-Produktion bis zur Verpackung
Durchgängige Lieferkette mit SAP-Software
Konsumgewohnheiten ändern sich. Für den Hersteller von Reinigungs- und Pflegeprodukten Werner & Mertz heißt das, ein sehr großes Sortiment vorhalten zu müssen. Um die eigene Produktion bestmöglich darauf einzustellen, nutzt der Inhaber solcher Marken wie Frosch und Erdal seit langem die Software SAP Manufacturing Integration & Intelligence (SAP MII). Aktuell ist der Integrationspartner IGZ aus Falkenberg damit beschäftigt, weitere SAP-Module rund um die innerbetrieblichen Materialflüsse einzuführen.
Die Werner & Mertz GmbH mit knapp 1.000 Beschäftigten brachte zuletzt kosmetische Artikel unter der Marke Frosch auf den Markt. Um bei dieser Vielzahl an Produkten neue Marktanforderungen umsetzen zu können, setzt die Firma seit vielen Jahren auf ein Manufacturing Execution System von SAP. Das SAP Projekthaus IGZ mit Sitz im oberpfälzischen Falkenberg führte die Anwendung an den Fertigungsstandorten in Mainz und im österreichischen Hallein seinerzeit ein. Jetzt sollen zur digitalen Abbildung der produktionsnahen Materialflüsse, der Lagerhaltung und der Transportplanung die SAP Module SAP EWM und SAP TM hinzukommen. Damit will das Mainzer Unternehmen auf Basis von Standardsoftware eine durchgängige operative und digitale Supply Chain schaffen – von der Batch-Produktion über die Intralogistik und Verpackung bis hin zum Versand.
Typische Lieferkette
Die Supply Chain von Werner & Mertz ist typisch für Hersteller von Markenartikeln, die der chemischen Industrie angehören. Von Tanklagern aus wird die Produktion mit den Rohstoffen versorgt. Das Vormateriallager hingegen bestückt die Batch-Produktion mit Gebinden, Fässern und Großpackmitteln. Roh- und Hilfsstoffe werden dem chargengeführten Herstell- und anschließenden Abfüllprozess zugeführt. Die Fertigware gelangt dann zur Bevorratung in das angeschlossene Hochregallager zur auftragsbezogenen Auslagerung und zum Versand.
In der IT bildete Werner & Mertz diese Prozesse lange im Wechselspiel zwischen ERP-Ebene, Produktionsapplikationen, der internen sowie externen Logistik und dem Versand über eine heterogene IT Landschaft ab. Der Aufwand für die Wartung und Pflege dieser Schnittstellen, für die Synchronisation der Softwareebenen und die Software Updates war immens. „Dies wollten wir konsolidieren und unser bestehendes SAP ERP mit Fertigungssystemen und -prozessen in Echtzeit mittels SAP-Standards synchronisieren“, sagt Werksleiter Dr. Guido Gneist. Dabei war es auch wichtig, über grafische Oberflächen die Anwenderfreundlichkeit zu verbessern. Wenn Bedienende die Auftragszustände ihrer Produktionslinien, technischen Anlagen und Aggregate am Bildschirm sofort wieder erkennen, ist auch die Akzeptanz für eine neue Technologie deutlich höher.
Digitaler Wandel früh begonnen
Schon vor zehn Jahren entschied Werner & Mertz, ihre heterogene Landschaft zu vereinheitlichen. In Zahlen ausgedrückt: Es wurden im Hauptwerk in Mainz 18 chemische Doppel-Batch-Anlagen, acht automatische und drei manuelle Abfülllinien, acht automatische Palettierer, diverse automatische Auszeichnungssysteme für Gebinde und Kartons in SAP MII abgebildet. Zudem existieren zwei automatisierte Hochregallager, in das die fertigen Paletten nach Avisierung über SAP MII-Identifikationspunkte eingelagert werden. Ähnlich, wenn auch etwas kleiner, sieht die Anlagenstruktur in Hallein aus. Insgesamt integrierte IGZ schrittweise weit über 100 Einzelaggregate in das MES. Ein Grund für die enge Zusammenarbeit mit dem IT-Dienstleister war dessen Kompetenz entlang der gesamten Produktionskette, über die produktionsnahe IT- und SAP-ERP-Welt hinweg.
Nach dem Baukastenprinzip entstehen Systeme, die der Integrator durch eigene Best- Practice-Lösungen für die Herstellung, Abfüllung und Verpackung ergänzt. „Die SAP Kompetenz von IGZ und das Know-how rund um Informations- und Materialflüsse im chemischen Herstellungs- und Verarbeitungsprozess haben uns überzeugt. Insbesondere, weil IGZ auch über weitreichende Expertise im Bereich Lagerverwaltung und Materialflusssteuerung mit dem SAP-Modul Extended Warehouse Management verfügt und Lagertechnik wie auch SPS-Steuerungen direkt aus SAP ansteuert“, erläutert Jürgen Partsch, SAP-Projektmanager bei Werner & Mertz. Inzwischen wird der Herstell und Abfüllprozess mit seinen Material- und Werteströmen von der MES-Plattform weitestgehend gesteuert. Zusätzlich kommen SAP EWM für die Lagerverwaltung und Materialflusssteuerung in den produktionsversorgenden Lagern sowie künftig dem distribuierenden Fertigwarenlager und SAP Transportation Management (SAP TM) zur Transportsteuerung für die Packstückbildung, Laderaumoptimierung und die Outbound-Prozesse zum Einsatz.
Standard und Best Practices
Im Jahr 2010 führte der IT-Dienstleister an den Produktionsstandorten Mainz und Hallein neben dem MES auch das eigene Best Practice Fill+Pack ein, womit sich Abfüll und Verpackungsprozesse abbilden und verbessern lassen. Die MES-Lösung wurde eng an die ERP-Ebene angebunden. Das MES kommuniziert unterlagert mit den Abfülllinien, Aggregaten und manuellen Fertigungsplätzen. Dort werden auch die Zeitscheiben ausgewertet. Diese erlauben es zuzuordnen, an welchem Aggregat eine Störung aufgetreten ist und mit welchen Folgestörungen zu rechnen ist. Über das von IGZ umgesetzte Order Cockpit sieht der Werksleiter laufende Aufträge, kann sie chronologisch sortieren, Soll- und Ist-Werte des Durchsatzes kontrollieren sowie Betriebs-, Rüst- und Störungszustände einsehen. Er kann am Leitstand sämtliche Informationen aggregiert und detailliert abrufen, die für die Produktion wichtig sind.
Steigerung OEE um 18 Prozent
Neben dem Bedienen und Beobachten der Prozesse legt der Produzent wert darauf, Kennzahlen zur Gesamtanlageneffektivität (OEE) ermitteln zu können. Sie sollen zeigen, wie produktiv eine Abfülllinie läuft, dargestellt über mehrere Monate und selektierbar nach Plan- und Ist-OEE. IGZ arbeitet hier nach dem Weihenstephaner Standard, der ein in alle Maschinen zur Lebensmittelherstellung und -verpackung implementierbares Kommunikationsprotokoll und Methoden für die OEE-Ermittlung definiert.
Die Mainzer interessieren sich bei der Abfüllung insbesondere auch für die Rüstzeiten. „Wegen der Vielzahl verschiedener Artikel müssen wir die Linien häufig umrüsten, das heißt andere Flaschen, andere Etiketten et cetera einsteuern“, berichtet Gneist. Dies nimmt zum Teil viel Zeit in Anspruch. „In SAP MII Fill+Pack können wir die einzelnen Rüstvorgänge übersichtlich visualisierenund dadurch deutlich besser planen. Wir sparen uns dadurch schlichtweg Zeit. Natürlich sind diese Abläufe auch von der Disposition abhängig. Deshalb planen wir in SAP MII weitere Optimierungen zur Auftragsfeinsteuerung.“ Das Resultat nach den ersten drei Jahren: Die Rüstzeiten sanken um bis zu 35 Prozent, was einem 18 Prozent höherem OEE entspricht.
Rezepturen per MES steuern
Nach der Abfüllung ging das MES-Projekt im Jahr 2013 in die zweite Stufe und SAP MII wurde für die Batchproduktion aufgesetzt. So kommuniziert im Werk Mainz das bestehende Prozessleitsystem mit dem ERP-System und steuert auch die Tanklager automatisiert – ein stabiles Verfahren, das beibehalten wird.
Anders in Hallein, wo bisher mehr manuell und mit Herstellanweisungen sowie Produktionsaufträgen in Papierform gearbeitet wurde. „Am Standort Hallein setzen wir zusätzlich das IGZ Best Practice Electronic Work Instruction ein, um Herstell- und Prozessanweisungen an den Arbeitsplätzen zu visualisieren“, schildert Gneist. In der Produktion wird mit SAP PP/PI gearbeitet, einem Produktionsplanungstool für die chargenorien tierte Prozessfertigung. Stücklisten zu den Fertigungsaufträgen und Herstellanweisungen lagen bislang häufig nur in Papierform vor. Die Rezeptur- und Herstellvorgaben sollten künftig zentral in der MES-Lösung abgebildet werden. Der IT-Dienstleister wurde damit beauftragt, das gesamte Know-how zur Rezeptursteuerung in SAP MII zu hinterlegen. Damit wurde erreicht, dass die Beschäftigten vom System rezepturbasiert und anhand verriegelter Prozesse durch die Herstellschritte geleitet werden.
Das Best Practice EWI ist ein integrativer Baustein für die Produktionsanbindung mittels SAP MES. Über elektronische Arbeitsanweisungen lassen sich Daten von der Prozessfertigung bis hin zur Anzeige von Gefahrstoffhinweisen und Symbolen aus SAP EH&S (Environment, Health and Safety) darstellen, bearbeiten und rückmelden. Das reduziert das manuelle Belegaufkommen und schafft hohe Prozesssicherheit. Der vollständige Herstellprozess ist nun im System dokumentiert. Im SAP MII-Dialog sieht der Anlagenbediener die Gefahrstoff- und Sicherheitshinweise zum jeweiligen Rezept- und Dosierschritt aus SAP EH&S. Qualitätsrelevante Prozessdaten wie Dichte- oder Refraktionsmessungen können
auf Werksebene bearbeitet werden. Der Produktionsprozess wird qualitativ überwacht und dokumentiert. Zudem können Aufträge im MES autark bearbeitet werden.
Kompelette Lagerabwicklung
Im vorerst letzten Projektschritt wurde von Werner & Mertz mit Unterstützung von IGZ im Jahr 2016 das vorgeschaltete Materiallager über SAP EWM an SAP MII und die Produktion angebunden. Damit war die Grundlage für eine gebindegenaue Chargenverwaltung geschaffen.
Die Logistikfachkräfte des Chemieunternehmens – zuständig für die Zuführung der gesamten Rohstoffe in die Produktion – nutzen nun eine Systemführung für ihre Lageraufgaben, die ihnen einen genauen Überblick über die betroffenen Lagerplätze verschafft. SAP EWM wird über das Vormateriallager hinaus künftig auch zur Verwaltung der Fertigwaren eingesetzt. Die derzeit eingesetzte Lagerverwaltungssoftware wird abgelöst und das neue Verfahren wird aktuell nach SAP EWM / SAP MFS migriert. Auch seine Transportlogistik integriert Werner & Mertz in die SAP-Prozesslandschaft, wofür das Modul Transportation Management (SAP TM) zum Einsatz kommt. „Die Supply Chain, die wir mit SAP aufbauen, wird immer vollständiger“, freut sich Gneist. „Wir werden hier weiter eng mit IGZ zusammenarbeiten, die sich langjährig als verlässlicher Partner erwiesen hat. Mit SAP MII und den IGZ Best Practices verfügen wir über ein hervorragendes Werkzeug für kontinuierliche Verbesserungen und genaue Produktionsdokumentation. Das gesamte bisher implementierte System läuft störungsfrei und ist von allen Usern gut angenommen worden.“
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