Retrofit & Co. – Richtige Dosierung oft maßgeblich!
Mehr lesen
Ein Lager kostet Geld und Bestände binden Kapital. Klingt logisch und ist auch so. Doch gerade in Zeiten störanfälliger, mehrstufiger Lieferketten – die uns die „Corona-Krise“ eindringlich vor Augen führt – wird es immer herausfordernder, die Wirtschaftlichkeit des operativen Betriebs zuverlässig im Blick zu behalten. Wie lässt sich die Unternehmensleistung „Logistik“ messen? Und wie können überhöhte Lagerbestände vermieden werden, ohne dass aufgrund unplanmäßig stark erhöhter Nachfrage Lieferengpässe entstehen?
Hilfreich sind Logistikkennzahlen bzw. KPIs (Key Performance Indicator). Aber auch eine intelligente softwaregestützte Forecast-Planung spielt eine entscheidende Rolle, wenn es darum geht, bei weitgehend geringer Kapitalbindung eine optimale Verfügbarkeit gewährleisten zu können. So lassen sich beispielsweise mit SAP Extended Warehouse Management (SAP EWM) Potenziale ausschöpfen, die die Wirtschaftlichkeit eines Lagers direkt und konstant positiv beeinflussen.
Es gab die „guten alten“ Zeiten, in denen sich die Frage gestellt wurde, ob klassische Lager überhaupt noch zeitgemäß sind. Herkömmliche Lager wurden praktisch als Auslaufmodell gehandelt und galten vielfach als „Milliardengrab“. Diese Einstellung revidierte sich mit dem veränderten Nachfrageverhalten, das das Aufkommen moderner Logistik- und Distributionszentren beschleunigte. Ohne sie wäre eine zügige Marktbelieferung auch mit kleineren Bestelleinheiten, wie wir sie heute kennen und schätzen, nicht möglich. Auch ist der Pufferbedarf angesichts von „Just-in-Time“ oder „Just-in-Sequence“ im Produktionsumfeld deutlich gestiegen. Darüber hinaus zeigte sich, dass mit steigender Artikelvielfalt und schwankenden Absatzvolumina ein Lager zum Mengenausgleich unumgänglich war bzw. ist. Auch auf IT-Ebene hat sich vieles verändert. Moderne Standardsoftware trägt entscheidend dazu bei, dass die vor Jahren noch alles blockierende Schnittstellenproblematik durch die Ablösung von Insellösungen eliminiert und damit einhergehende Kosten gesenkt werden konnten.
Wirtschaftlichkeit ist de facto der Schlüssel zum Erfolg. Doch wie lassen sich verlässliche Aussagen über das Verhältnis von Aufwand und Ertrag – oder auch die Leistung im Verhältnis zum Einsatz – treffen? Generell gilt: Sowohl der Ertrag als auch der Aufwand sind als Geldwert anzusetzen. Zur Beurteilung werden Logistikkennzahlen bzw. KPIs (Key Performance Indicator) herangezogen, die unter Einbeziehung der zeitlichen Dimension jeweils einen relevanten Sachverhalt abbilden und auf Kostenstellen verteilt werden. Zunächst aber lohnt sich ein Blick auf Maßnahmen, die eine Vorabstrukturierung ermöglichen. Denn es gibt einige Stellschrauben, an denen Sie ansetzen können, um Prozesse effizienter aufzusetzen, sodass sowohl der organisatorische als auch monetäre Aufwand dauerhaft gesenkt werden kann.
In einem ersten Schritt empfiehlt es sich, so wie es die Logistik-Betriebswirtschaft lehrt, zwischen fixen und variablen Lagerhaltungskosten zu differenzieren. Fix sind zum Beispiel Ausgaben für Grundsteuer, Miete/Leasing, Energiebedarf, Abschreibungen und Versicherungen sowie Instandhaltungsarbeiten, die in einem vertraglich vereinbarten Turnus durchzuführen sind. Variable Kosten fallen in erster Linie auf Personalebene, im Zuge von unplanmäßigen Sonderschichten, Wartungen, im Fall beschädigter oder verdorbener Waren und – natürlich – auf Lagerbestandsebene an. Diese lassen sich mithilfe einer Neuplanung des Mitarbeiter- und Materialeinsatzes und/oder durch Nutzung moderner Technologien, wie etwa die Einbindung von Automatisierungskomponenten in die Prozesse, verringern.
Darüber, inwieweit ein Lager oder Logistikzentrum wirtschaftlich betrieben wird, entscheidet auch die Kapazität (Anzahl Stellplätze), die im Optimalfall bereits im Rahmen der Planung exakt bemessen wurde. Zentrale Einflussgrößen zur Bestimmung der Lagerkapazität sind – neben der in horizontaler und vertikaler Richtung zur Verfügung stehenden Fläche – das in Lagereinheiten klassifizierte Artikelsortiment, der Lagerbestand (Füllgrad), die Umschlagshäufigkeit, die Lagertechnik, die durchschnittliche Bevorratungsdauer sowie die Lieferquote pro Zeiteinheit. Zu berücksichtigen sind ferner die Lagerstruktur bzw. Organisation und die zu erwartende Absatzentwicklung. Ggf. sind darüber hinaus saisonale Schwankungen sowie Korrelationen zwischen den Beständen verschiedener Artikel einzubeziehen.
Auch eine gut durchdachte Ablauforganisation bzw. Ablaufsteuerung trägt dazu bei, Kosten zu nivellieren, indem beispielsweise die Verweildauer von Artikeln im Lager minimiert wird. Für Waren mit Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD), etwa im Lebensmittelsektor oder der Pharmaindustrie, empfiehlt sich das FIFO-Prinzip (first in-first out). Gleiches gilt für Waren, die aufgrund langanhaltender Lagerung an Wert verlieren können, z.B. Bau- oder Ersatzteile, die Rost ansetzen. Eine weitere Variante ist LIFO (last in-first out). Sie eignet sich dann, wenn die Artikelstruktur möglichst homogener Natur ist und die Produkte kein Verfallsdatum aufweisen. Vorteil dieses Verfahrens ist, dass Platz und damit verbundene Kosten eingespart werden können. Weiter verkürzen lassen sich die Lagerzeiten natürlich auch durch automatisierte Ein- und Auslagerprozesse. Voraussetzung für das Gelingen ist (und davon sind wir überzeugt) eine leistungsstarke Logistiksoftware. So lassen sich zum Beispiel mithilfe von SAP Extended Warehouse Management (SAP EWM) in Verbindung mit SAP Material Flow System (SAP MFS) gezielte Ein- und Auslagerstrategien fahren, die praktisch im Sekundentakt flexibel an den aktuellen Bedarf angepasst werden. Gleichzeitig wird durch erhöhte Automatisierung der Personalbedarf verringert, was im Zeitalter des „Social Distancing“ nicht unerheblich erscheint.
Apropos Platz! Eine effiziente Platznutzung steht und fällt mit der Auswahl eines jeweils individuell geeigneten Regalsystems. Dies sollte so dimensioniert sein, dass Waren unterschiedlicher Ausprägung auf engstem Raum gelagert werden können. Bei breitgefächerten Sortimenten empfiehlt sich in der Regel ein Mix. Das können konventionell bediente Paletten- und Fachbodenregale sowie Kragarmregale, die sich mit vollautomatischen Kleinteilelagern (AKL), automatisiert betriebenen Paletten-Hochregallagern oder auch Shuttle-Systemen kombinieren lassen. Nicht minder von Relevanz ist eine leistungsstarke IT. Eine Lagerverwaltungssoftware ist dafür zuständig, dass die einzulagernden Güter dynamisch optimal auf die Stellplätze verteilt und die vorhandenen Kapazitäten bestmöglich ausgenutzt werden.
Kommen wir nun zum oft unterschätzten Thema Bestandsoptimierung. Sie sind dann auf der sicheren Seite, wenn Sie Mindest-, Melde- und Maximalbestand jeweils klar bestimmen. Deren Wert lässt sich mit Hilfe von Formeln errechnen. In der Regel übernehmen moderne ERP-Systeme diese Aufgabe automatisch. Der Mindest- oder auch Sicherheitsbestand markiert quasi eine stille Reserve, die zwingend erforderlich ist, um Nachfrageschwankungen auszugleichen und die Verfügbarkeit aufrechtzuerhalten. In diesem Zusammenhang ist auch die Zeit zu berücksichtigen, die der (Wieder-) Beschaffungsprozess beansprucht. Darauf abzustimmen ist der Meldebestand. Beim Unterschreiten sollte ad hoc Ware nachgeordert werden. Nur so ist sichergestellt, dass der Mindestbestand in erforderlichem Umfang weiter im Lager vorhanden ist. Durch Festlegung des Maximalbestands unterbinden Sie eine überflüssige Vorratshaltung und verhindern letztlich, dass sich Ihr Lager tatsächlich als „Milliardengrab“ entpuppt.
Um die Wirtschaftlichkeit eines Lagers beurteilen zu können, empfiehlt es sich, u.a. folgende Kennzahlen heranzuziehen:
Eine vereinfachte Effizienzschätzung ist bereits bei Konzentration auf die Parameter Umschlagshäufigkeit, durchschnittliche Lagerdauer und Lagerreichweite möglich. So kann eine geringe Umschlagshäufigkeit Indikator dafür sein, dass zu hohe Bestände aufgelaufen sind, die wiederum Kapital binden. Diese sollten möglichst rasch sukzessive reduziert werden. Ein hoher Durchsatz geht hingegen mit vergleichsweise niedrigen Lagerhaltungskosten einher. Klingt zunächst gut. Allerdings besteht auch die Gefahr nicht ausreichender Bestände, sodass im Worst-Case-Fall die Verfügbarkeit gefährdet sein kann. Die durchschnittliche Lagerdauer sagt aus, über welchen Zeitraum die Waren im Lager verbleiben und somit Kapital binden. Ergo lässt sich durch eine systematische Verkleinerung dieses Zeitfensters die Effizienz steigern. Im Gegenzug verweist eine besonders kurze Verweildauer auf einen zu geringen Bestand. Die Lagerreichweite versteht sich letztlich als Quotient aus aktuellem Bestand und Verbrauch. Sie gibt Auskunft darüber, innerhalb welcher Zeitspanne voraussichtlich ein Nullbestand erreicht wird.
In SAP Extended Warehouse Management (SAP EWM) sind bereits Kennzahlen bzw. KPIs (Key Performance Indicators) hinterlegt, die das Logistik-Controlling enorm vereinfachen. Im Kern geht es hierbei um die Optimierung des Ressourceneinsatzes. Wertvolle Hilfe leisten verschiedene Reporting- und Analyse-Tools, die auch nach erfolgter Umstellung auf SAP S/4HANA genutzt werden können:
Ergänzend können Logistikinformationssysteme (LIS) genutzt werden, z.B. die Logistikinformationsbibliothek. Im SAP LIS bzw. SAP S/4 sind hierbei bereits hunderte von katalogisierten und klassifizierten Kennzahlen vordefiniert und können genutzt werden. Auf diese lässt sich mittels komfortabler Suchroutinen zugreifen. Es lassen sich zusätzliche Reports, Transaktionen und weitere Informationen integrieren. Des Weiteren kann der formelbasierte Kennzahlenservice in SAP EWM die benötigten KPI´s weiter abrunden. Ziel sollte es stets sein, Kennzahlen für ihr operatives Geschäft zu entwickeln, mit deren Hilfe die Wirtschaftlichkeit Ihres Lagers unter Einbeziehung der real erbrachten Performance der Mitarbeiter überprüft werden kann.
Fakt ist, dass allein schon der Einsatz einer durchgängigen SAP-Lösung (ERP, Logistik, Reporting) in diesem Kontext Wirkung zeigt: Die SAP Standardsoftware bietet eine voll integrierte, modulübergreifende Unterstützung und optimiert fortwährend das Zusammenwirken der Prozesse in den Bereichen Warehousing, Transport und Produktion. Eine dynamische Anpassung an tagesaktuelle Erfordernisse bietet in Zeiten fragiler Lieferketten, die die Warenverfügbarkeit und damit die Wirtschaftlichkeit eines Lagers oder mehrerer Standorte massiv beeinträchtigen können, eine beträchtliche Chance: Nämlich die Chance, die eigene Wirtschaftlichkeit seines Lagers nochmals genau auf den Prüfstand zu stellen.