Retrofit & Co. – Richtige Dosierung oft maßgeblich!
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Der Begriff „Greenfield“ wird meist direkt mit dem Neubau einer Fabrik oder einer Logistikimmobilie auf der sprichwörtlichen grünen Wiese in Zusammenhang gebracht. „Brownfield“ hingegen assoziiert so mancher mit einem brachliegenden Industrieareal, das sich mit gewissem Aufwand eventuell revitalisieren lässt. So ähnlich verhält es sich bei Software-Projekten, etwa der Migration auf SAP S/4HANA: Sie haben die Wahl zwischen einer kompletten Neuimplementierung (Greenfield) oder einer Konvertierung bzw. einem Upgrade bestehender IT-Systeme (Brownfield). Doch welcher Ansatz ist aus individueller Sicht am besten für ein Unternehmen geeignet? Diese Frage treibt aufgrund der vielfältigen Optimierungs- und Simplifizierungsmöglichkeiten, die die neue ERP-Generation S/4HANA bietet, speziell die SAP Community um. In diesem Artikel geben wir Ihnen einige Tipps, unter welchen Umständen sich das eine oder andere Konzept für Sie rechnen könnte und welche Voraussetzungen jeweils gegeben sein sollten.
Wenn Logistiksysteme in die Jahre kommen, stehen Betreiber vor der Herausforderung klären zu müssen, ob es sich lohnt, vorhandene Anlagen zu modernisieren, oder ob nicht doch ein vollständiger Re-Start auf der grünen Wiese, ein Neuanlagenbau, sinnvoller wäre. Das alles ist jedoch nicht ausschließlich eine Frage defizitärer Hardware. Denn die zunehmende Digitalisierung und Vernetzung im Logistik 4.0-Kontext ist ebenfalls in die Überlegungen miteinzubeziehen. Gleichzeitig spielen aber auch monetäre Aspekte eine wichtige Rolle. Greenfield-Projekte bieten zwar prinzipiell maximale Freiheitsgrade für die Weiterentwicklung der Logistik – auch im Hinblick auf Automatisierung –, aber die Grundstücks- und Baukosten sowie Investitionen in neue Techniken fallen enorm ins Gewicht.
Günstiger präsentiert sich der Brownfield-Ansatz, denn oftmals genügt ein Retrofit, um neue Leistungsmodule in ein vorhandenes System einzubinden und parallel neue Prozesse zu integrieren. Bei sachgerechtem „Tuning“ ist es so möglich, die rundumerneuerte Anlage noch über Jahre effizient und zukunftssicher betreiben zu können. Der bereits erwähnte Freiheitsgrad bzw. der höhere Planungsfreiraum, ein deutliches Plus an Flexibilität und Skalierbarkeit sowie wachsende Geschäftsvolumina und neue Business-Modelle sind hingegen Argumente, die die Entscheidung zugunsten eines Anlagenneubaus bzw. Greenfield-Vorhabens beeinflussen.
Analog gestalten sich die Überlegungen, wenn es um das Thema „Migration auf die neue Echtzeit-ERP-Suite SAP S/4HANA“ geht. IT-Verantwortliche stehen zudem unter einem gewissen Druck, möglichst rasch die Pros & Contras zu klären und eine Entscheidung zu treffen, ob sie ein Greenfield- oder ein Brownfield-Projekt aufsetzen möchten. Zwar hat die SAP SE den Support für das SAP ERP 6.0 bis 2027 verlängert, doch der Vorbereitungs- und Umsetzungsaufwand für beide Varianten ist nicht gerade gering. Es empfiehlt sich in jedem Fall, die eigene Situation, die strategische Ausrichtung sowie die zukünftigen Anforderungen und Perspektiven für Ihr Unternehmen realistisch einzuschätzen. Eine tiefgreifende, systematische Analyse ist hier unerlässlich, um Investitionsvorhaben nicht zu gefährden.
Bei historisch gewachsenen Strukturen und Systemen, die in ihrer Komplexität kaum mehr beherrschbar sind und grundlegend neu gestaltet werden sollen, ist der Greenfield-Ansatz eine präferierte Lösung. Denn nur so können Sie das komplette Potenzial von SAP S/4HANA ausschöpfen. Die Vorteile liegen insbesondere in einem vereinfachten Datenmodell auf Basis der In-Memory-Plattform SAP HANA, einer verbesserten Nutzeroberfläche und integrierten Cloud-Services. Sie verschlanken Ihre Prozesse und sind hochgradig flexibel, wann immer es erforderlich ist, neue Abläufe zu integrieren, um die Interaktion mit dem Kunden weiter zu optimieren. Auch Echtzeit-Analysen sowie die Abwicklung größerer Transaktionsmengen sind möglich.
Wenn Sie sich für eine komplette Neuimplementierung entscheiden, besteht zudem die Möglichkeit, proprietäre Inselanwendungen abzulösen, da deren Funktionen bereits über den Core von SAP S/4HANA und durch die zur Verfügung stehenden Best Practices abgedeckt werden. Vorhandene Stamm- und Bewegungsdaten werden übernommen, nicht mehr relevante Informationen lediglich archiviert. Beeinträchtigungen bei der Umsetzung Ihrer Greenfield-Strategie sind nicht zu befürchten, da Ihr bestehendes SAP ERP weiterbetrieben werden kann und erst mit dem Go-Live der neuen Business-Suite obsolet wird.
Die folgende Migrationsverfahren nach dem Brownfield-Ansatz können wiederum dann von Vorteil sein, wenn Unternehmen bereits auf den SAP-Standard setzen, vergleichsweise wenige Einzelapplikationen betreiben und Ihre internen Abläufe bereits bereinigt haben. Sie haben die Möglichkeit, die Migration in einem oder mehreren Schritten durchzuführen. Dabei erfolgt ein Umstieg vom vorhandenen ERP-System auf SAP S/4HANA, indem zunächst die In-Memory-Plattform SAP HANA freigeschaltet wird. So schaffen Sie quasi den technologischen Unterbau. In der nächsten Phase erfolgt abschließend die eigentliche Transformation auf SAP S/4HANA. Wenn Sie sich für das Brownfield-Konzept entscheiden, konvertieren Sie also das bestehende SAP ERP 6.0 auf SAP S/4HANA.
Historische Daten, darunter auch relevante Protokolle, lassen sich einbinden und verbleiben somit quasi im Bestand. Überflüssige Tabellen und Verzeichnisse hingegen werden eliminiert. Ein weiterer Vorteil ist, dass aufgrund des vergleichsweise geringeren Aufwands eine schnellere Implementierung möglich ist und Kosten eingespart werden können. Doch es gibt auch limitierende Faktoren: Da keine konsistente Neueinführung erfolgt, lässt sich die Komplexität gewachsener Strukturen nicht reduzieren. Auch Funktionserweiterungen in SAP S/4HANA können nicht genutzt werden und die Inanspruchnahme von Cloud-Services ist ebenfalls nicht möglich.
Pauschal eine Empfehlung auszusprechen, welcher Ansatz für ein Unternehmen am besten geeignet ist, wäre nicht seriös. So, wie die Ansätze „Neuanlagenbau auf der grünen Wiese“ und „Revitalisierung von vorhandenen Strukturen“ im Bereich der Logistik miteinander konkurrieren, verhält es sich auch bei der Migration auf SAP S/4HAHA. Denn die Ausgangssituation von Unternehmen variiert ebenso wie die voraussichtliche Weiterentwicklung. Ergo muss die Entscheidung unter Berücksichtigung des Status quo und der künftigen Markt- und Kundenanforderungen fallen. Wenngleich in diesem Blog-Betrag bereits einige wertvolle Tipps enthalten sind, sollten Sie auf eine fachkundige Analyse und Bewertung nicht verzichten. Gerade bei Brownfield-Projekten, die oftmals favorisiert werden, da sie sich im Vergleich zum Greenfield-Ansatz innerhalb eines kleineren Zeitfensters realisieren lassen (sollten), minimieren Sie so das Risiko, dass während der Umstellung weitere, zuvor nicht offensichtliche „Baustellen“ auftauchen und die Realisierung sich als aufwändiger entpuppt als geplant. Welchen Weg auch immer Sie einschlagen: In beiden Fällen ist es immens wichtig, vorbereitend Stammdaten und Prozesse zu bereinigen.
Die Migration auf die neue SAP ERP Business-Suite SAP S/4HANA ist immer auch eine Investition in die Zukunft und schafft die Voraussetzungen, den Anforderungen des digitalen bzw. Industrie 4.0-Zeitalters gerecht werden zu können. Erst aus einer detaillierten Analyse der Ist- und Soll-Situation lässt sich ableiten, ob der Greenfield- oder Brownfield-Ansatz die individuell geeignete Umstiegsvariante ist.
Sofern eindeutig geklärt ist, dass die Ursprungs- und Zielarchitektur gar nicht oder nur minimal voneinander abweichen, kann das Brownfield-Konzept geeignet sein. Es empfiehlt sich zudem dann, wenn integrierte Individualanwendungen weiter genutzt werden sollen oder die Vorgabe besteht, den kompletten Verlauf aller bis dato angefallenen Transaktionsdaten ohne Abstriche im System beizubehalten. Auch sollten in diesem Fall zumindest bereits SAP ERP 6.0 eingeführt und interne Abläufe im Sinne des „Simplifizierungs“-Prinzips angeglichen worden sein.
Dem Wunsch nach verstärkter Flexibilisierung und Standardisierung hingegen kommt der mit einem kompletten Neustart verbundene Greenfield-Ansatz entgegen. Das Konzept bietet die Möglichkeit, Altlasten zu beseitigen und parallel die Prozesse in Richtung digitaler Transformation neu zu justieren. Sie profitieren von einer schlanken, vereinheitlichten Systemlandschaft und können das gesamte Potenzial von SAP S/4HANA nutzen, ohne auf vielleicht zukünftig wichtige Features bzw. Applikationen wie Cloud-basierte Services oder Releases verzichten zu müssen.
Ob Greenfield oder Brownfield – beide Lösungsansätze zur Migration auf SAP S/4HANA müssen sorgfältig gegeneinander abgewogen werden und auch die Vorbereitungen beanspruchen in beiden Fällen Zeit. Gut beraten ist, wer nicht erst kurz vor Ablauf des Supports für SAP ECC 6.0 handelt. So können Sie bereits in absehbarer Zeit von den Leistungspotenzialen der neuen SAP Business Suite profitieren und Wettbewerbsvorsprünge sichern.