Hipp – Die Datendrehscheibe

Die Hipp-Gruppe verwendet als MES-Lösung SAP MII mit einem speziellen Template. Diese Kombination ermöglicht den Anschluss kompletter Werke im 24/7-Produktionsbetrieb. In einem Schritt wurde ein System mit einem ERP-MES-Big-Bang in einem durcharbeitenden Betrieb migriert und dabei ab dem ersten Tag die Produktionsfähigkeit aufrechterhalten.

Die Hipp-Gruppe, weltweit tätiger Hersteller von Baby-/ Kleinkindnahrung sowie Gesundheits- und Pflegeprodukten mit Stammsitz im oberbayerischen Pfaffenhofen, lebt den 24/7-Anspruch in ihrer Produktion, die rund um die Uhr an 365 Tagen im Jahr läuft. Dort, wie in der gesamten Nahrungsmittelbranche, übernehmen heute in weiten Teilen IT-Systeme die Steuerung und Überwachung der Fertigung. Der Wechsel eines IT-Systems ist unter der 24/7-Prämisse deshalb besonders diffizil.
2016 übernahm Hipp den Säuglingsmilchnahrungs-Standort MIG (Milchwirtschaftliche Industrie Gesellschaft Herford GmbH & Co. KG). Als Anteilseigner hatte Hipp in Herford bereits Säuglingsnahrung auf Basis von Milch-Trockenpulver für eigene Zwecke herstellen lassen. Die vollständige Übernahme war daher ein konsequenter Schritt.

Strategische Plattform

Bisherige IT-Anwendungen galt es in diesem Zuge durch die entsprechenden Systeme von Hipp abzulösen und mit den Prozessen an den bestehenden Werken zu harmonisieren. Auf kaufmännisch-organisatorischer Ebene war dies SAP ERP, im Produktionsumfeld SAP Manufacturing Integration and Intelligence (SAP MII). SAP ist bei Hipp seit vielen Jahren als strategische Lösung zur Organisation betrieblicher Abläufe verankert. 2015 fiel die Entscheidung für die MES-Komponente MII als strategische Produktionsplattform.

Implementiert wurde die Lösung von der IGZ, die diese seitdem betreut. Im Werk in Kroatien wurde SAP MII als Pilot erstmals produktiv bei Hipp eingesetzt. Es dient seitdem als Template für weitere Rollouts für die Mitarbeiterführung in der Produktion und die vertikale Integration von Shop-Floor Systemen. Die Herausfor­derung für die Hipp-IT und den Imple­mentierungspartner IGZ im MIG-Projekt bestand aus weit mehr als dem bloßen Austausch der früheren MES-Individuallö­sung durch SAP MII. Diese bestand aus zwei Komponenten: einer selbst entwi­ckelten Software für die Rückverfolgbar­keit der produzierten Materialien (engl. Traceability) sowie einer „Transfer-Daten­bank“, an die vielfältige Shop-Floor-Spezialsysteme (z. B. Prozessleitsysteme) ange­bunden waren.

Die Einführung von SAP MII musste ge­meinsam mit SAP ERP im gesamten Werk als Big-Bang erfolgen. Dazu mussten die bisherigen Verbindungen gekappt, mit SAP MII neu hergestellt und die Aufgaben­verteilung zwischen ERP und MES von der bisherigen Struktur auf die Hipp-Struktur umgestellt werden. Die SAP-MII-Lösung sollte jetzt und zukünftig als einheitliches MES für die Mitarbeiterführung und Anbin­dung der Produktionstechnik fungieren. Dem Hipp-Projektteam und IGZ gelang die Migration ohne eine Minute Unterbrechung der laufenden Produktion, d. h. parallel zum 24/7/365-Betrieb.

Enge Interaktion

Ziel von Hipp war es, mit der Migration die bisherige proprietäre MES-Lösung vollständig nach SAP zu verlagern. SAP ERP ist dabei das führende System, das vollständige Vorgaben für die Fertigung an SAP MII liefert. In SAP MII erfolgt dann Steuerung, Optimierung und Dokumentation der Produktion.

Voraussetzung für das Gelingen einer solchen Operation ist eine gründliche Planung. Gemeinsam mit Hipp nahm IGZ im Zuge ihrer erprobten SAP-MES-Einsatzanalyse vorab die Anforderungen auf und entwickelte ein Umsetzungskonzept auf Grundlage des vorhandenen Templates inklusive Aufwandsabschätzung und Terminierung des Projektes. „Vor allem der Einsatz des bewährten Hipp-SAP-MII-Templates aus vorangegangenen Projekten war ein wichtiger Erfolgsbaustein bei der Migration, auch wenn für die Besonderheiten des MIG-Projektes spezifische Erweite¬rungen des SAP-MII-Templates vorgenommen werden mussten“, erklärt Ludwig Hösl, Projektleiter bei Hipp.

Mithilfe des Templates und speziellen Erweiterungen gelang damit dem Projektteam eine schnelle vertikale Integration, d. h., die direkte Verbindung der kaufmännischen und planerischen ERP-Ebene mit den technischen Systemen auf der Shop-Floor-Ebene. Dies sind bei der MIG konkret Prozessleitsysteme für die Sprühtrocknung, vier Nass- und Trockenmischanlagen, Auszeichnungssysteme sowie Produktionsver- und -entsorgungslager. Sie mussten an SAP MII in gleicher Weise angebunden werden wie an die alte Middleware.

Durchgängige Rückverfolgung

Das Hipp-SAP-MII-Template ist neben den SAP-MII-Standardfunktionen begründet auf zusätzlichen IGZ Best Practices in SAP MII. Diese fungierten quasi als „Projektbeschleuniger“ bei der Realisierung des Templates und bei der Umsetzung des MIG-Projektes. Im Einzelnen waren es z. B.: IGZ Electronic Work Instruction (EWI) als Modul für die operative Ausführung von SAP-ERP-Steuerrezeptvorgaben und IGZ Order Cockpit als interaktiver, grafischer Auftragsleitstand zur einfachen Feinsteuerung der Aufträge sowie ein IGZ Bestandsmanagement für „Gebindetraceability“. Letzteres ermöglicht ein Tracking der in Produktion befindlichen Materialien über den gesamten Fertigungsprozess auf Einzelgebindeebene, also bis hinunter zum Silo, Edelstahlcontainer oder zur einzelnen Palette.

Sind in einem Arbeitsschritt mehrere Komponenten bereitzustellen, stellt das IGZ Bestandsmanagement sie auf einem eindeutig identifizierbaren Container dar. Dem Betriebsleiter und den Mitarbeitern in der Produktion ermöglicht dies eine durchgängige Rückverfolgung, die er innerhalb der Prozesskette jederzeit abrufen kann. Der Unterschied zum vorigen System liegt insbesondere im Detaillierungsgrad. Bis hinunter auf Gebindeebene konnte die MIG die Bestände in der ERP-Welt früher nicht prüfen.

Höhere Prozesssicherheit

In der Produktion bei der MIG hat sich die Prozesssicherheit durch produktionsbegleitende Prüfungen mit der neuen MES-Lösung deutlich erhöht und die Auslastung der Anlagen wesentlich verbessert. Online abrufbare Kennzahlen und die lückenlose Chargenrückverfolgung schaffen Transparenz über alle Fertigungsprozesse und Bestände hinweg. Systemgeführte Inventurverfahren erhöhen insgesamt die Effizienz des milchverarbeitenden Betriebs. Das liegt daran, dass die MIG heute mit einem integrierten System arbeitet, wo früher im Grunde nur proprietäre Einzelsysteme installiert waren. SAP MII wird über Browser bedient und stellt seine Funktionen als webbasierten Content zur Verfügung. So konnte die MIG von stationsgebundenen auch auf mobile Anwendungen umstellen. Zugleich wurde die manuelle Anfertigung und Verteilung von Produktionspapieren verringert, weil die MES-Lösung den Fachkräften in der Produktion fertigungsbegleitende Unterlagen digital online und systemgeführt anzeigt. Auch die Qualitätsprüfung ist integriert, ohne dass dafür weitere organisatorische Schritte erforderlich sind, weil das System die Mitarbeiter führt.

Durch die ERP-Integration kann Hipp für das MIG-Werk Stammdaten für die Produktion zentral in SAP verwalten, eine Steuerrezept-Integration von SAP MII mit PP/PI umsetzen und Produktionsinformationen sowie Dokumente verschiedener Quellen, z. B. Sharepoint, dem SAP MII auftragsgenau via SAP ERP bereitstellen. So wird eine durchgängige Rückverfolgbarkeit der Produktion auf ERP-Ebene erreicht.

Die Schichtleiter, Werker und sonstigen Mitarbeiter in der Produktion des MIG-Werkes arbeiten heute mit einer Anwendung, von der aus alle Prozesse zentralisiert und konsolidiert werden. Früher mussten sie viele Einzelschritte, die eigentlich zusammengehören – Rückverfolgung, Dokumentation, Probenentnahmen etc. – manuell in verschiedenen Systemen durchführen. 70 SAP-MII-Arbeitsplätze wurden am Standort Herford von der IGZ eingerichtet, die 24/7 besetzt sind.

Geschäftsprozesse harmonisiert

Für die Hipp-IT ist die IT-technische Eingliederung des Werkes mehr als nur die reine Migration von ERP- und MES-IT-Systemen. „Wir harmonisieren damit unsere gesamten Geschäftsprozesse auf Grundlage der bestehenden Hipp-Prozess-Standards“, erklärt Donal Doyle, IT-Leiter bei Hipp. Denn zum Teil ließen sich die Produktionsleit- und andere Bestandssysteme der MIG kaum mehr selbst an die Hipp-Standards anpassen. Mittels SAP MII als Hipp-Infrastruktur für MES und die vertikale Integration konnte hier auch ein „Prozess-Mapping“ zwischen der vorhergehenden Sicht und den Hipp-Prozessstandards durchgeführt werden.

Eine besondere Herausforderung in diesem Projekt lag in dem sehr hohen Technisierungsgrad, der in der bestehenden Systemlandschaft des einzugliedernden Werkes angetroffen wurde. Nicht ohne Risiko war vor allem der Anspruch, in einem 24/7/365-durcharbeitenden Betrieb ein System mit einem ERP-MES-Big-Bang in einem Schritt zu migrieren und dabei ab dem ersten Tag die Produktionsfähigkeit aufrechtzuerhalten. „Das nachgewiesene Know-how der IGZ im Bereich Anlagenintegration, Maschinenanbindung und Integration von Prozessleitsystemen hat uns von Anbeginn zuversichtlich gestimmt, dass wir den Big Bang wie gewünscht hinbekommen. Bereits der Pilotbetrieb im Werk Kroatien hatte uns dies bewiesen, und in Herford hat dies jetzt auch hervorragend geklappt“, so Ludwig Hösl.

Nächste Projekte stehen bereits an. So sind in Herford neue Sprühtürme geplant und an SAP MII anzubinden. Weitere Verpackungslinien und eine Erweiterung stehen im Werk Kroatien an. Auch der Rollout von SAP MII auf weitere Standorte ist bereits Bestandteil der Überlegungen bei der Hipp-IT.


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