Perfektionierte Lager- und Transportprozesse

Kulmbacher rollt SAP EWM/TM aus

Eine verbesserte Wertschöpfung auf Basis einer dynamischen Kommissionier- und Verladesteuerung inklusive Packstückbildung und 3D-Laderaumplanung – diese Potenziale hat die Kulmbacher Brauerei mit der Einführung von SAP EWM/TM erschlossen. Weitere Benefits werden im Bereich der Tourendisposition und Routenplanung erzielt. Der anschließende Rollout der Standardsoftware konnte dank des Know-how-Transfers durch IGZ größtenteils in Eigenregie gemeistert werden.

Seit 1846 versorgt die heutige Kulmbacher Gruppe Lebensmitteleinzelhandel, Gastronomiebetriebe regional und bundesweit sowie den Getränkehandel auch weltweit mit Bier- und Getränkespezialitäten. Dabei ist es selbstverständlich, dass sämtliche Bierspezialitäten ausschließlich nach dem Deutschen Reinheitsgebot gebraut werden. Ein Anspruch der Gründungsväter, dem sich das Traditionsunternehmen auch im 175. Jahr seines Bestehens verpflichtet. Dieser Qualitätsanspruch zahlt sich aus: In einem durch Öffnungsbeschränkungen der Gastronomie bedingt eingetrübten Markt konnte der Absatz 2020 gegenüber dem Vorjahr innerhalb der Gruppe um 2,5 Prozent auf knapp 3,4 Millionen Hektoliter gesteigert werden. Der Konzernumsatz belief sich auf rund 237 Millionen Euro.

Handlungsbedarf in der IT-Architektur

Das oberfränkische Kulmbach ist nach wie vor Hauptsitz der Gruppe und gilt über die Region hinaus als heimliche Hauptstadt des Bieres. Weitere Standorte befinden sich unter anderem in Plauen, Würzburg und Bad Brambach. Neben dem Abholergeschäft mit ca. 200 Kontakten pro Tag sind zusätzlich täglich rund 50 eigene Fahrzeuge unterwegs, um die Kunden mit den gewünschten Bieren, Mineralwasser und Getränkespezialitäten wie Limonaden oder Schorlen in der Region zu beliefern. Für Nachschub sorgen allein in Kulmbach vier Abfüllanlagen. Das abgefüllte Vollgut wird klassisch in Bierkästen, mit verschiedenen Gebinden und Fässern auf Paletten zwischengelagert, auftragsbezogen für den Groß-, Einzelhandel und die Gastronomie zusammengestellt und auf die abholenden Lkw verladen. Auf einer Hallenfläche von rund 30.000 m² stehen Lagerplätze für Europaletten zur Verfügung. Hinzu kommen Außenlager, in denen bedarfsabhängig zwischengelagert wird.

Auf Ebene der Warenwirtschaft ist seit 2015 SAP ERP im Einsatz. Die Packstück- und Laderaumplanung sowie die Steuerung der Warenbereitstellung erfolgten über ein angebundenes, mehr als 15 Jahre altes und stark individuell angepasstes Lagerverwaltungssystem (LVS) mit Transportmanagement-Funktionalitäten. „Wir hatten aufgrund der nicht mehr zeitgemäßen Logistik-IT vermehrt mit der Verfügbarkeit unserer Systeme zu kämpfen“, berichtet IT-Leiter Peter Höhlein. „Der Softwareanbieter des LVS war kaum mehr in der Lage, erforderliche Änderungen vorzunehmen. Know-how war nur noch sehr eingeschränkt verfügbar.“ Die Befürchtungen, dass mittelfristig kein Support mehr möglich sein würde, verdichteten sich und verlangten nach einer geeigneten und möglichst zeitnahen Alternative, die zusätzlich die Prozesse optimieren sollte.

Braukunst trifft SAP Ingenieurtechnik

Angesichts des vorhandenen SAP ERP zur Abdeckung der Wertschöpfungskette bereits auf dispositiver Ebene war es naheliegend, eine SAP-Lösung in Betracht zu ziehen, um einerseits die Schnittstellenproblematik zu eliminieren und darüber hinaus von Standardisierung und Zukunftssicherheit zu profitieren. Das Standardsoftwaremodul SAP EWM (SAP Extended Warehouse Management) zur Lager- und Bestandsverwaltung in Kombination mit SAP TM (SAP Transportation Management) für eine optimierte Transportlogistik bot die Möglichkeit, das Altsystem an den Kulmbacher-Standorten schrittweise ablösen zu können. „Mit IGZ haben wir einen Partner gefunden, der nicht nur Erfahrung mit SAP EWM hat, sondern genauso fit im Bereich SAP TM ist“, merkt Christian Scheele an, Logistikleiter bei der Kulmbacher Brauerei. „Uns hat das Gespann SAP EWM/TM so sehr überzeugt, dass obendrein so durchdacht und ohne jegliche Add-ons im Rahmen des Partnerauswahlprozesses nur von den SAP Ingenieuren aus Falkenberg angeboten wurde.“ Auch eine vollständige Integration in die vorhandenen SAP ERP-Prozesse war realisierbar.

Mit Einführung hat SAP EWM/TM zunächst das LVS in Kulmbach komplett abgelöst. Sämtliche Technikgewerke, wie beispielsweise Schranken, Automatikscanner, Staplerterminals und Pager wurden direkt angebunden. Zur Abbildung der Lkw-Bewegungen auf dem Hof des Verteilzentrums wird das in SAP EWM integrierte Yard Management genutzt. „Im Versand wird auf Basis der im ERP generierten Auslieferung die SAP TM-Packstückbildung für die Misch-Paletten und die anschließende Laderaumplanung angetriggert“, erklärt IT-Projektmanager Andre Pertz. Der in SAP TM erzeugte Plan für die Zusammenstellung sowie die Beladereihenfolge wird dann an SAP EWM übermittelt. SAP EWM stößt den be- und entladegerechten Kommissionierauftrag an und die Waren werden nahe der Verladezone bereitgestellt. Übernahme und Lkw-Beladung erfolgen mit Staplerunterstützung, ebenso wie die Übergabe von Voll-Paletten aus dem Blocklager. Auf Basis der Echtzeitdaten werden die Transporteinheiten in SAP TM aktualisiert und nach Rückmeldung an ERP die Warenausgangsbuchung durchgeführt. Alles in Echtzeit und damit mit sekundengenauen, aktuellen Beständen.

Systematische Interaktion von Lager und Transport mit SAP

„Grundsätzlich ist es so, dass das SAP ERP für die Grobdisposition der Lieferungen zuständig ist“, ergänzt IGZ-Bereichsleiter Thomas Kraus. „SAP TM verfeinert diesen Plan und in SAP EWM werden sämtliche Intralogistikprozesse inklusive der Hofverwaltung gesteuert.“ Auf dem Parkplatz vor der Verladehalle warten die Lkw-Fahrer, die mit in SAP EWM integrierten Pagern ausgestattet sind, auf ihren Abruf. Dies erfolgt durch Anzeige des vorgegebenen Be- bzw. Entladeplatzes. Abzuladendes Leergut wird direkt verbucht. Ein spezieller Dialog für die Leerguterfassung beschleunigt den Entladeprozess, denn dort ist stets Tempo gefordert. Folglich können auch mehrere Lkw gleichzeitig abgefertigt werden, alles geschieht zentral integriert in einem System. Von besonderem Vorteil für die Mitarbeiter ist eine SAP EWM Standard-Dialoglogik, für die IGZ ergonomische Oberflächen zur Verfügung gestellt hat. Sie müssen nichts neu erlernen, sondern finden sich intuitiv schnell zurecht.

Auch für die Misch-Palettenbildung wurde eine bereits etablierte Logik seitens IGZ verwendet und gemeinsam mit den Verantwortlichen bei Kulmbacher in SAP TM weiterentwickelt. „Diese musste die optimale Kombinierbarkeit der einzelnen Gebinde zueinander abbilden. Bierkästen sollen primär mit anderen Bierkästen kombiniert werden, bevor sie z.B. mit Wasserkästen oder Saftkästen kombiniert werden.“ sagt Andre Pertz, um einen Aspekt dieser Logik zu verdeutlichen. Auch kundenspezifische Entladepräferenzen sowie die Positionierung von Fässern wurden berücksichtigt. „Wir haben darüber hinaus die Laderaumplanung für die Seitenverladung erweitert und es wird die in SAP TM enthaltene 3D-Darstellungsoption genutzt“, ergänzt IGZ-Bereichsleiter Thomas Kraus. Abgebildet sind ferner die Achslast- und Gesamtgewichtsprüfung der Lkw beim Verlassen des Hofes, um auch die Transportsicherheit zu unterstützen.

SAP EWM/TM-Umsetzungspartner auf Abruf

Im Fokus der Ersteinführung von SAP EWM/TM in Kulmbach standen neben der Technikanbindung speziell die Packstückberechnung sowie die Kommissioniersteuerung. In einem nächsten Schritt folgte der Rollout der Standardsoftware im Brauereistandort Sternquell, Plauen. Die bereits vorhandenen und in Kulmbach bewährten Funktionen konnten übernommen werden, sodass lediglich standortspezifische Ergänzungen erforderlich waren, wie etwa die Integration von Intercompany-Verkehren. An SAP EWM angebunden sind dort zudem RFID-Leser für den Check-out. „Dank des kontinuierlichen Know-how Transfers durch IGZ waren wir in der Lage, den Rollout größtenteils selbständig vornehmen zu können“, betont IT-Leiter Peter Höhlein.

Gleiches galt für die Rollouts am Brauereistandort, Würzburg und beim Mineralbrunnen in Bad Brambach. Die IT-Spezialisten von Kulmbacher hatten die Federführung übernommen, IGZ stand dem Team begleitend zur Seite. In Würzburg wurden die Funktionen der Packstückbildung in SAP TM sogar erweitert. Darüber hinaus ist die Kommissionierung auf Pick-by-Voice umgestellt worden. Beim Rollout der Standardsoftware in Bad Brambach hingegen standen Anpassungen auf Ebene des Wareneingangs aus der Produktion sowie des Freigabeprozesses von Qualitätsbeständen im Mittelpunkt.

Plattformgestützte, dynamische Verladesteuerung mit SAP TM/EWM

Der erste Go-Live in Kulmbach fand im Mai 2017 statt – mit großem Erfolg, denn bereits am zweiten Tag nach Aktivierung von SAP EWM/TM konnte eine frühsommerliche Auftragsspitzenlast erfolgreich bewältigt werden. Anfang 2019 wurde Sternquell, Plauen aufgeschaltet. Die Würzburger Hofbräu folgte Anfang 2020 und Bad Brambach im Februar 2021. „Mit SAP EWM/TM steht für alle Unternehmen der Kulmbacher Gruppe nun eine vereinheitlichte und zukunftssicherere Plattform zur Verfügung, die hoch standardisiert ist und zugleich offen für weitere Optimierungen“, fasst IT-Chef Peter Höhlein zusammen. Logistikleiter Christian Scheele ergänzt: „Die dynamische Verladesteuerung unter Berücksichtigung aller vorhandenen Ressourcen ist ein enormer Vorteil und dank 3D-Laderaumplanung verbessern wir nicht nur die Auslastung der Lkw, sondern reduzieren gleichzeitig die physische Belastung des Personals bei der Entladung“. Auch habe man dank des integrierten Yard Managements nun auch die Abläufe der wartenden LKW im Griff. Nicht zuletzt ist in Kulmbach, also am Hauptstandort selbst, mehr Ruhe eingekehrt, da die Shuttle-Transporte zwischen den beiden Werken der Traditionsbrauerei sowie die Versorgung der Gastronomie heute koordiniert gesteuert werden können, was sich in weniger Einzelfahrten niederschlägt und so auch aus wirtschaftlichen und umwelttechnischen Gesichtspunkten nachhaltig wirkt.


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