Käseherstellung 4.0

MES ermöglicht durchgängige Chargen-Rückverfolgbarkeit

Die Schaffung einer durchgängigen Chargen-Rückverfolgbarkeit war oberstes Ziel und zugleich eine der großen Herausforderungen im Rahmen der Einführung von SAP MII (SAP Manufacturing Integration and Intelligence) bei der Champignon Hofmeister Unternehmensgruppe. So sorgt die Standardsoftware nun standortübergreifend für umfassende Transparenz – vom Landwirt bis zum fertig verpackten Käse – und optimiert dank Digitalisierung die gesamte Wertschöpfungskette in der Milchverarbeitung.

Käsekenner und Feinschmecker schätzen seit mehr als 100 Jahren die Marken der Champignon Hofmeister Unternehmensgruppe. Dazu zählen Klassiker wie der Champignon Camembert, der Rougette Ofenkäse, St. Mang Limburger, Cambozola und viele mehr. In Summe sind es ca. 50 Weichkäsesorten, die in mehr als 55 Ländern vertrieben werden. Der jährlich bilanzierte Umsatz beläuft sich auf durchschnittlich 520 Millionen Euro. Hinter dieser Leistung stehen rund 1000 MitarbeiterInnen, die die Unternehmensgruppe am Hauptsitz in Lauben, Oberallgäu, sowie an den Standorten Kammlach, Moosburg, Pfeffenhausen und Freiberg beschäftigt.

Digitale Prozessoptimierung und Dokumentation im Fokus

Etwa 450 Millionen Liter Milch veredeln die Spezialisten der Champignon Hofmeister Unternehmensgruppe jährlich in den Betrieben zu unterschiedlichen Käsespezialitäten sowie hochwertigen Milch und Molke-Derivaten. Dieser Prozess ist äußerst komplex: Er beginnt mit den Sammeltouren über Land und setzt sich mit der Annahme der Milch und deren Überführung in die Betriebsräume fort. Es folgen die Herstellung in der Käserei, das Reifen, die Verpackung und die Bereitstellung zum Versand. Vor der Einführung von SAP Manufacturing Integration and Intelligence (SAP MII) war die über Jahre gewachsene IT-Landschaft von zahlreichen, aufwändig zu pflegenden, nicht mehr zukunftsfähigen Insellösungen geprägt. Mit dem Entschluss, auf die neue SAP ERP-Generation S/4HANA umzusteigen, fiel auch die Entscheidung, diese proprietären Alt-Systeme abzulösen. Gerade auf Ebene der Betriebsdatenerfassung (BDE) war dies zwingend erforderlich, da nur noch ein einziger Mitarbeiter über Kenntnisse rund um das sogenannte PIMS (Produktions-Informations-Management-System) verfügte und eine Anbindung der bislang genutzten MS-Access-Lösung an die neue Business-Suite S/4HANA nicht möglich war.

Verbrauchsbuchung – online statt retrograd

Vor diesem Hintergrund sollte durchgängig ein einheitliches und standardisiertes Manufacturing Execution System (MES) implementiert werden, das eine vollständige Rückverfolgbarkeit über die gesamte Bearbeitungskette vom Landwirt bis zur Verpackung – praktisch auf Knopfdruck – ermöglicht. Die Digitalisierungsstrategie sah zudem vor, die papiergestützte, manuelle und damit fehleranfällige und zeitintensive Belegführung, bei der Bestände, Verbräuche und der Produktionsfortschritt erst zeitverzögert gemeldet werden konnten, ad acta zu legen.

Statt auf retrogradem Wege sollten eine chargengeführte Verbrauchsbuchung in Echtzeit realisiert und einheitliche Kennzahlen (KPIs) für alle Werke generiert werden. Die Entscheidung, zukünftig die webbasierte, standardisierte und zugleich hochflexible und zukunftsorientierte IT-Plattform SAP MII für die Produktionssteuerung zu nutzen, war auch unter Investitionsschutzaspekten konsequent. Denn durch SAP sind die Release-Fähigkeit und kontinuierliche Updates der Standardsoftware gewährleistet. Die Champignon Hofmeister Unternehmensgruppe partizipiert an dieser stringenten Weiterentwicklung, bewahrt ihre Unabhängigkeit von weiteren Einzelanbietern und ist in der komfortablen Lage, fortwährend eigenes SAP Know-how aufzubauen.

Vorkonfigurierte Best Practices als Projektbeschleuniger

Da das Team der Champignon Hofmeister Unternehmensgruppe bereits kleinere, SAP MII basierte IoT-Vorhaben gemeinsam mit den SAP Ingenieuren der IGZ aus Falkenberg in der Oberpfalz erfolgreich umgesetzt hatte, wurde die Projektpartnerschaft 2019 auf MES-Ebene fortgesetzt. „Die zuvor gemachten Erfahrungen, aber auch die ausgewiesene Expertise von IGZ bei der Entwicklung ganzheitlicher Lösungen in der Prozessindustrie inklusive Anlagenintegration und Maschinenanbindung waren hierfür ausschlaggebend“, bekräftigt Projektleiter Martin Dodel. „Überzeugt haben darüber hinaus die ausgefeilte Projektmethodik sowie IGZ Best Practices, die als Projektbeschleuniger wirken.“

IGZ Best Practices Fill+Pack und Flow+Pack

Nach Abschluss der SAP MII Einsatzanalyse fiel Ende Juli gleichen Jahres der Startschuss zur Implementierung von SAP MII. Die große Herausforderung bestand insbesondere darin, das SAP MII Migrationskonzept schlüssig in das parallele S/4HANA-Projekt einzubetten. In Phase 1 wurden am Standort Kammlach zunächst die Grundfunktionalitäten integriert. Dafür wurde ein Template für eine durchgängige und standardisierte SAP MII Lösung entwickelt, das sämtliche Kern-Prozesse aller Produktionsstätten der Traditionsmolkerei abbildet. In dieses Gruppentemplate sind auch die vorkonfigurierten IGZ Best Practices Fill+Pack für die automatischen Verpackungslinien und Flow+Pack für den Betriebsraum und die Käserei integriert, wodurch die Realisierungszeit erheblich verkürzt werden konnte.

Papierlose Auftragsabwicklung und lückenlose Dokumentation

Im Zuge der Implementierung am Pilotstandort Kammlach erfolgte die Integration von SAP MII in das SAP S/4HANA in Form von steuerrezeptbasierten Prozessaufträgen. Damit konnte eine durchgängige Online-Auftragsabwicklung erreicht werden. Durch die Kopplung an die SAP Lagerverwaltung Extended Warehouse Management (SAP EWM) sind im MES neben den Roh- und Fertigwaren auch die Verpackungsmaterialien abgebildet. Für eine lückenlose Rückverfolgbarkeit jeder einzelnen Charge sorgt parallel die Anbindung an die für die jeweilige Rezepturbereitstellung relevanten Produktionsleitsysteme (PLS). Schwerpunkt von SAP EWM wiederum ist primär die Ver- und Entsorgung der Produktion. Bestände, Chargen und Arbeitsschritte werden online gemeldet und sind so jederzeit nachvollziehbar.

Die Werker profitieren von unmissverständlichen Angaben, zum Beispiel über den Fortschritt des Reifeprozesses, die über mobile Nutzeroberflächen im modernen SAP UI5-Design bereitgestellt werden. So ist jederzeit nachvollziehbar, welche Handlung von welcher Person an welchem Arbeitsplatz ausgeführt worden ist. Komplettiert wird die durchgängige Traceability durch die Anbindung von zwei automatischen Verpackungslinien, die jeweils mit fünf Aggregaten und einem Handarbeitsplatz ausgestattet sind. SAP MII steuert vollumfänglich den Verpackungsprozess und dokumentiert mittels Online BDE und MDE automatisiert und chargengenau die Verbräuche sowie produzierten Mengen. Zusätzlich übernimmt SAP MII die Auszeichnung der Paletten-Label und avisiert die fertigen Paletten und damit Bestände an SAP EWM.


"Durch die Einführung von SAP MII können wir die komplette interne Produktionskette digital abbilden."

Martin Dodel, Projektleiter bei Käserei Champignon


Prozesssicherheit in der Produktion

Auch bei einer temporären Nichtverfügbarkeit des SAP ERP laufen die Prozesse ohne Beeinträchtigung weiter. Die Datenerfassung erfolgt in Echtzeit, nachträgliche manuelle Dokumentationen entfallen. Eine derart systematische Vermeidung von Fehlerquellen und Störfaktoren in Verbindung mit einer integrierten Prozessverriegelung und -kontrolle trägt entscheidend dazu bei, die Qualität und Effizienz in den Abläufen hoch zu halten und gegebenenfalls sogar noch zu steigern. Der Einsatz falscher Zutaten oder Komponenten ist ausgeschlossen und gleichzeitig kann sichergestellt werden, dass auch alle Käsehorden ausnahmslos korrekt nach Vorgabe behandelt werden. Die systemgestützte Rückverfolgbarkeit sorgt für Transparenz über sämtliche Bestände, Rohstoffe, Umlaufbestände und Fertigprodukte. Auch die in den Reiferäumen zwingend erforderlichen, turnusmäßigen Reinigungsprozesse sind nun digitalisiert dokumentiert. Zudem ermöglicht das standardisierte MES auf Basis von SAP MII eine chargengeführte Verbrauchsbuchung in Echtzeit, vom Rohmilchtank bis zum Versand – und das zukünftig über alle Werke der Champignon Hofmeister Unternehmensgruppe hinweg.

Mehrere IT-Projekte parallel konzipiert und realisiert

Der Go-Live in Kammlach erfolgte planmäßig zum Stichtag der parallel laufenden S/4HANA Umstellung zum Jahreswechsel 2020/2021. Erste Voraussetzungen, den Terminplan exakt einhalten zu können, wurden bereits während der IT-Gesamtkonzeption geschaffen. Denn es war nicht nur ein Projekt zu realisieren, sondern es sind gleichzeitig ein SAP Dairy entwickelt, neue Technologien, (wie etwa RFID zur automatischen Identifikation der Käsehorden) implementiert sowie das SAP S/4HANA, SAP EWM, SAP MII und die PLS neu eingeführt worden. Martin Dodel verweist in diesem Zusammenhang auf die flexible und professionelle Unterstützung von IGZ: „Für ein derart komplexes Projekt benötigen Unternehmen einen starken Partner, den wir mit IGZ an unserer Seite hatten. Der große Erfahrungsschatz und das hohe Prozess- und Integrations-Know-how waren speziell bei der Umsetzung des MES-Projekts wichtige Erfolgsfaktoren.“

Optimierungsorientierte Funktionserweiterungen und Rollouts

In Kammlach ist eine vollumfängliche End-to-End-Traceability als Grundlage für eine digitalisierte Produktion respektive, prozesssichere und kennzahlengestützte Auftragsabwicklung schon heute Realität. Auf Basis des SAP MII Templates werden in Phase 2 nun standortspezifische Funktionserweiterungen und Optimierungen umgesetzt, wie etwa die zusätzliche Integration weiterer PLS-Systeme, vertiefende produktionsbegleitende Qualitätskontrollen, die Erfassung der Betriebszustände aller Aggregate und die bereichsübergreifende OEE-Erfassung. Mit Extended OEE 4.0 kommt auch hier ein IGZ Best Practice zum Einsatz, mit dem sich die Effizienz bzw. der Leistungsgrad einer Gesamtanlage (OEE = Overall Equipment Effectiveness) anhand von Kennzahlen kontinuierlich ermitteln und optimieren lässt.

Das im Rahmen des Pilotprojekts in Kammlach konzipierte Template wird so sukzessive erweitert und dient dem Rollout auf die weiteren Werke und dortigen Prozesse der Champignon Hofmeister Unternehmensgruppe. So fällt der Aufwand bei der Implementierung von SAP MII deutlich geringer aus. Der Go-Live für die Phase 2 („Mang+“) ist daher schon für Ende 2021 geplant, die weiteren Produktionsstätten folgen schrittweise bis 2024. Das Team rund um Martin Dodel sieht sich gut gerüstet für den Rollout von SAP MII im Kontext der gruppenweiten SAP S/4HANA Strategie und greift parallel auf die Kompetenz der IGZ zurück. „Durch die Einführung von SAP MII haben wir heute die Möglichkeit, die komplette interne Produktionskette digital abzubilden und unsere Produktionsmitarbeiter operativ stark zu unterstützen“, resümiert der IT-Experte. „Ein solches Projekt würde ich jederzeit gerne wieder mit IGZ realisieren.“


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