SAP EWM/MFS bringt die Teileversorgung auf Zack

Durch zentrale Lagerhaltung und Automatisierung der Logistik am Standort Passau hat die Division Industrietechnik der ZF Friedrichshafen AG die Lagerleistung um das Elffache gesteigert. Auch weitere ehrgeizige Ziele, wie etwa deutlich reduzierte Wiederbeschaffungszeiten, wurden mit Unterstützung von IGZ weit übertroffen.

Als der Luftschiffpionier Ferdinand von Zeppelin im Jahr 1915 eine „Zahnradfabrik“ gründete, legte er den Grundstein für einen heutigen Milliardenkonzern mit rund 230 Standorten weltweit. Von Passau aus wird die Division Industrietechnik koordiniert, die in der ZF Friedrichshafen AG sämtliche Aktivitäten für Anwendungen „abseits der Straße“ bündelt. Entwickelt und produziert werden Getriebe und Achsen für Land und Baumaschinen, Antriebstechniken für Stapler sowie Schienen- und Sonderfahrzeuge. Darüber hinaus verantwortet die Sparte das weltweite Geschäft in der Marine- und Luftfahrt-Antriebstechnik sowie die Herstellung von Getrieben für Windkraftanlagen und von Industrieantrieben.

Mehr als 30 Jahre lang war das 1983 errichtete Paletten- Hochregallager eine markante Landmarke in der Region. Seit der vordere Teil 2014 vollständig zurückgebaut und die verbliebene Intralogistik sukzessive modernisiert wurde, ist dieser Altbau nun Geschichte. Seit August 2015 ist die erste Baustufe mit dem modernisierten Hochregallager und der neuen Palettenfördertechnik in Betrieb. In einer zweiten Baustufe hat schließlich im April 2016 ein automatisches Kleinteilelager seinen Betrieb aufgenommen, über welches das Leistungscenter Montage am ZF-Standort Passau mit Material versorgt wird. Das Gesamtsystem wird mit dem System SAP EWM (Extended Warehouse Management) inklusive SAP MFS (Material Flow System) verwaltet und gesteuert, unterstützt von den SAP Ingenieuren der IGZ, dem SAP EWM-Generalunternehmer.

Logistik komplett neu justiert

„Um die Teileversorgung langfristig sicherstellen zu können, mussten wir unsere Logistik durchgängig auf neue Füße stellen“, sagt ZF-Projektleiter Daniel Biefeld. Bedingt durch die lange Nutzungsdauer des Hochregallagers war nicht nur das technische Leistungslimit erreicht. „Um die erforderliche Durchsatzleistung von 70 Paletten pro Stunde aufrechterhalten zu können, waren wir gezwungen, auf eine asynchrone Versorgung im Dreischichtbetrieb auszuweichen“, so der ZF-Logistikexperte weiter.

Verstärkt wurde der Handlungsdruck angesichts veralteter dezentraler Lagerstrukturen. Rund 60 % des zugeführten Volumens sei quasi am Lager vorbeigelaufen, an den 26 Montagelinien häuften sich die Bestände. Vor diesem Hintergrund wurde die Forderung formuliert, von traditioneller Direktbelieferungsstrategie auf zentrale Lagerhaltung inklusive Konsignation umzusteigen. Die Versandläger der Schwesterwerke sollten aufgelöst und insgesamt mehr Dynamik in der Logistikabwicklung geschaffen werden. Im Fokus standen hier insbesondere die Wiederbeschaffungs- und Reaktionszeiten.

Von der Einführung einer neuen Standardsoftware für die Lagerverwaltung und -steuerung versprachen sich die Verantwortlichen darüber hinaus ein deutliches Plus an Transparenz über die Bestände in Verbindung mit durchgängiger Rückverfolgbarkeit. Im modernisierten Hochregallager, das eine Kapazität von circa 9150 Stellplätzen aufweist, ist heute eine Ein- und Auslagerleistung von bis zu 160 Paletten pro Stunde möglich. Im 44.000 Stellplätze umfassenden Kleinteilelager wird im gleichen Zeitraum ein Durchsatz von etwa 600 Behältern generiert. Sämtliche Prozesse im Leistungscenter Montage, von der Lkw-Registrierung über die Lagerung und Routenzugbeladung bis zur Montage, sind direkt in SAP EWM integriert.

Diese Lösung war anfänglich jedoch nicht zwingend gesetzt. „Die funktionale Ausschreibung für das neue Logistikzentrum war zunächst als Blackbox aufgesetzt und wurde Mitte Juli 2014 an über zehn mögliche Anbieter verschickt“, erklärt Daniel Biefeld. In einem Workshop im Rahmen der SAP Einsatzanalyse hat IGZ schließlich die zentralen Vorteile einer SAP EWM-basierten Lösung aufgezeigt. In Folge wurde die funktionale Ausschreibung kurzfristig um die Option SAP EWM erweitert. Ausschlaggebend hierfür waren beispielsweise Zukunftsfähigkeit und steigende Marktdurchdringung der Softwarelösung sowie die Tatsache, dass erforderliche Erweiterungen und Optimierungen bereits im Standard abgedeckt waren.

Hier überzeugten die SAP Ingenieure aus Falkenberg in der Oberpfalz erneut. „IGZ hat eine wirklich starke und fest angestellte SAP EWM-Entwicklertruppe mit mehr als 150 Spezialisten und kann Referenzprojekte im Bereich Maschinenbau und Automotive mit vergleichbaren Lagertechnik- und Prozessanforderungen vorweisen“, erklärt Biefeld. Aber auch sogenannte Soft-Facts haben die Entscheidung positiv beeinflusst: „In den Lieferantengesprächen war einfach spürbar, dass IGZ die größte Motivation und neue Ideen einbrachte. Dies war nicht nur mein subjektives Empfinden, sondern entsprach der objektiven Wahrnehmung aller Beteiligten seitens ZF.“

SAP EWM-Pionier bei ZF

Die Entscheidung pro SAP EWM markiert einen wichtigen Meilenstein in der Historie von ZF Friedrichshafen. Denn diese IT-Lösung kommt konzernweit erstmals zum Einsatz. Damit avanciert der Standort Passau zum Vorreiter in der ZF-Logistikwelt. Ergänzend zur Beauftragung, eine durchgängige SAP EWM-Integration umzusetzen, erhielt IGZ im Oktober 2014 den Generalunternehmer-Zuschlag für das Retrofit des Hochregallagers und den Neubau des viergassigen automatischen Kleinteilelagers.

Die Vergabe an einen Generalunternehmer war in der zweistufigen Umsetzungsstrategie des Projekts „Logistikzentrum LC Montage“ bereits vorgesehen. Voraussetzung für den Wettbewerbseintritt war eine hohe Realisierungskompetenz als Generalunternehmer sowie als Logistik-Softwarespezialist. Das hierfür erforderliche Expertenwissen findet sich unter dem Dach der IGZ-Gruppe in der IGZ Automation GmbH. „Unser Ansatz zielt darauf, Ansprechpartner für alle Gewerke und auch Dienstleister im Servicefall zu sein“, sagt Alfred Meyer, IGZ Geschäftsführer zuständig für das IGZ-Generalunternehmer-Geschäft. „Wir übernehmen und koordinieren die Serviceabwicklung für Mechanik, Steuerung und IT in allen Lebensphasen einer Anlage.“

Leistungsbilanz übertrifft Erwartungen

Wie in der Projektmanagementpraxis die Regel, haben Mitarbeiter von ZF und IGZ gemeinsam auf Teamebene ein „Forming, Storming, Norming und Performing“ durchlaufen, wie Biefeld es nennt. Die große Herausforderung bestand darin, die ambitionierte Performance innerhalb einer äußerst straffen Zeitschiene von der Theorie in die Praxis zu überführen. Dies konnte durch den hohen Einsatz aller am Projekt Beteiligten erfolgreich gelöst werden. Auch kurze Entscheidungswege waren stets hilfreich. Nach Abschluss des Projektes betont auch ZF Logistikleiter Kölbl „IGZ hat Top-Qualität abgeliefert – die Verfügbarkeit der Gesamtanlage liegt bei 100 %!“ Der Go-Live der Baustufe 2 des neuen zentralen Logistikzentrums in Passau erfolgte im März 2016. 

Die ZF-Verantwortlichen sind mit dem Erreichten sehr zufrieden. Auch wenn alle Termine sehr sportlich ausgelegt waren, so sei das Projekt doch im absolut realistisch möglichen Rahmen umgesetzt worden. Die aktuellen Zahlen belegen, dass die Kennwerte zur Erfolgsmessung des Projekts mehr als erreicht wurden und auch dauerhaft gehalten werden können. „Mit der alten Lagertechnik haben wir in Spitze 55 Kleinladungsträger und 15 Großladungsträger pro Stunde ein- und auslagert“, sagt Biefeld. Mit Unterstützung von SAP EWM, über das rund 12.000 produktive Sachnummern verwaltet werden, sind es heute 160 im Hochregallager und 600 im automatischen Kleinteilelager. „Damit haben wir die Lagerleistung also um das Elffache erhöht.“

Die Durchlaufzeit im Wareneingang wurde von einem Tag auf acht Stunden reduziert, die Wiederbeschaffungszeit von Waren im Leistungscenter Montage von 24 auf 4 verringert und die Reaktionszeit der Logistik bei Eilausfassung beträgt heute gerade einmal eine Viertelstunde. Die definierten Ziele sind damit deutlich übertroffen worden. Parallel konnte im Sinne einer schlanken Produktion Platz in der Montagehalle geschaffen werden. Der Raumgewinn durch reduzierte Bestände beläuft sich im Wareneingangsbereich auf 1400 m². Diese Flächen lassen sich nun anderweitig produktiv nutzen.

Fit für den Wandel der Märkte

Absolute Bestandstransparenz ist ein weiterer Vorteil. Chargen und deren Historie sind ebenso einsehbar wie der Inhalt sogenannter Handling Units, Einheiten aus Packmitteln und enthaltenen Waren. Als weiteres Highlight benennt Daniel Biefeld das intelligente, gemeinsam mit IGZ entwickelte dynamische Routenzugsystem für die Materialversorgung, das keinem getakteten Fahrplan folgt. „Damit lagern wir das Material völlig automatisch in der Beladereihenfolge aus und verfahren dieses auf dynamischen Routen in die Montage wie ein Sammeltaxi und sind mit minimalem Equipment und geringem Personalaufwand unterwegs“, so der ZF-Projektleiter.

Auch für die Mitarbeiter hat sich einiges verändert. Das Arbeitsumfeld werde nun wesentlich positiver wahrgenommen. Einen wichtigen Anteil daran haben Terminals, die dank Touch-Screen-Oberfläche leicht und sicher zu bedienen sind. Nicht zuletzt wirkt sich die Reorganisation der ZF-Logistik in Passau motivationssteigernd aus. Auf Mitarbeiterinitiative konnten bereits weitere punktuelle Optimierungen vorgenommen werden. Insgesamt sieht man sich mit dem neuen Logistikzentrum für die kommenden 10 bis 15 Jahre sehr gut gerüstet, auch weil das System skalierbar und ausbaufähig ist. „Bei der Entwicklung des Nutzungskonzepts haben wir für das automatische Kleinteilelager bereits verschiedene Erweiterungsoptionen vorgesehen“, unterstreicht Alfred Meyer. Volumen werden steigen, Prozesse werden sich ändern – darauf sind alle Beteiligten bestens vorbereitet.

Weitere Informationen zum Projekt finden Sie hier.


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