Pick by Motion im Einsatz bei Krones in Neutraubling

Das Krones-Ersatzteilzentrum schickt am Tag 4500 Produkte auf die Reise. Die Logistiker haben dafür pfiffige Lösungen parat. 

Preisfrage für den Journalisten: „Wer sorgt dafür, dass Sie morgens den Joghurt aus dem Kühlschrank nehmen können“, fragt Christian Loipeldinger. Da könnten einem nun einige einfallen, aber als Logistiker mit Leib und Seele meint Loipeldinger natürlich in erster Linie seinen Berufsstand. Bei Krones in Neutraubling ist der Cheflogistiker des seit zwei Jahren operierenden Lifecycle Service Center (LCS) aber nicht für Joghurt zuständig, sondern dafür, dass hauseigene Monteure sowie Kunden in aller Welt mit Ersatzteilen beliefert werden – nach Möglichkeit binnen 24 Stunden.

Warum Zeit Geld ist, macht Loipeldinger, der in Langfassung den Titel Head of Intralogistics and Production and Logistics Strategy, Central Production and Logistics trägt, am Beispiel einer „Brot- und Butter-Anlage“ des Maschinenbaukonzerns deutlich. 36 000 bis 48 000 Flaschen füllt so eine Standard-
anlage ab, die der Marktführer in alle Welt verkauft. In drei Schichten läuft die Maschine an 365 Tagen im Jahr. „Wenn die auch nur eine Stunde steht, kann es sein, dass damit der Tagesgewinn des Abfüllers verloren geht“, sagt Loipeldinger, der vor 24 Jahren als Technischer Zeichner im Konzern begonnen hat, ehe er in der Logistik seine wahre Berufung entdeckte.

Roboter mit „chaotischem“ System

Damit kommt nun das LCS-Logistikzentrum ins Spiel, das den Wareneingang, die Zusammenstellung, die Verpackung und den Versand der Ersatzteile bündelt.

Herzstück ist das fast 20 Meter hohe vollautomatische Kleinteilelager, in dem Roboter nach einem nur ihnen geläufigen „chaotischen System “ auf 38 000 Stellplätzen Kleinteile hin und her verschieben, holen und ablegen.

Chaotisch deswegen, weil die in drei Gassen hin und her flitzenden Roboter sich die Kleinteile nicht nach Sinn-
zusammenhängen sondern nach Größe und Häufigkeit der benötigten Teil selbst ordnen. 
„Wir wissen selbst nicht, wo etwas steht“, sagt Loipeldinger dazu.

Zusätzlich zum Kleinteilelager gibt es noch 2500 Gitterboxenstellplätze und ein Sperriglager. Von der hauchdünnen Beilagscheibe bis hin zum Kugeldreh-
verbinder mit sechs Metern Durchmesser reicht die Größe der Teile, die im LCS-Logistikzentrum ständig verfügbar sind und blitzschnell verfügbar gemacht werden.

3000 Teile für eine Wartung

Was die Roboter in Kästen anschleppen und mittels Förderbändern zu ihren menschlichen Kollegen transportieren, wird von diesen entsprechend des Bestellauftrags zusammengestellt. Das kann ein Einzelteil sein, das kann eine Baugruppe sein, und das können jede Menge Baugruppen sein, wenn ein Kunde eine Abfüllanlage überholen lässt. Für eine solche Wartung werden pro Anlage je Kunde 2000 bis 3000 Teile benötigt. SAP Software sagt den Mitarbeitern in diesem Fall, was sie wo und in welcher Anzahl aus den Materialbehältern entnehmen sollen und wo sie welche Teile in den Behältern von Materialwägen ablegen sollen. Wenn ein Mitarbeiter sieben Stunden lang in der Stunde 60 bis 70 Positionen umpackt, wird auch dem konzentriertesten Arbeiter mal ein Fehler unterlaufen.

Damit einem Monteur später in Kenia nicht eine dringend benötigte Sechskantschraube fehlt, steuern und überwachen Kameras den Kommissionierungsvorgang. Aber nicht in der Art von „Big Brother is watching you“. Da hätte der mächtige Betriebsrat sicher sein Veto eingelegt. Die Kameras an den Arbeitsplätzen nehmen keine Fotos auf, sondern Schatten. Die Software der relativ simplen Kameras erfasst auch die räumliche Tiefe, in der sich der Mitarbeiter beim Beladen der Materialwäge bewegt. Man müsse sich das als eine Art dreidimensionalen Barcode vorstellen, erklärt Loipeldinger.

Einen erledigten Auftrag müssen Mitarbeiter oder Mitarbeiterinnen nicht per Knopfdruck quittieren.
Ein gereckter Daumen, den die Kamera als Schemen erfasst, ist für das System Signal, den nächsten Auftrag anzugehen – oder mit einem energischen Piepen zu zeigen, dass Kollege Mensch irgendwo einen Fehler begangen haben muss.

„Pick by motion“ nennt sich das System, das seit heuer bei Krones im Einsatz ist. „Die Fehlerquote im LCS-Center liegt unter 0,2 Prozent“, sagt Loipeldinger stolz. Und günstig ist das Krones-System obendrein. Die Kameras stammen aus der Unterhaltungsindustrie. Die elektronische Alternative würde pro Arbeitsplatz ein Vielfaches kosten, sagt der Logistiker.

Und damit die Beschäftigten sich nicht überanstrengen – was sich auch in Kosten niederschlagen kann – kann sich jeder Mitarbeiter seinen Arbeitsplatz mittels Hubbühne individuell einstellen. Von Vorzeigearbeitsplätzen in Sachen Ergonomie spricht Loipeldinger in diesem Zusammenhang.

Die fertig zusammengestellten Waren gehen direkt in einen Hochsicherheitstrakt. Diesen dürfen nur bestimmte Mitarbeiter betreten, die die Ware nach den Vorgaben des internationalen Luftverkehrs verpacken und versiegeln. Nur dann darf die Ware am Flughafen ohne weitere Kontrolle direkt ins Flugzeug.

4500 Teile in 1000 Päckchen verlassen so im Schnitt täglich die Hochsicherheitszone. Und wenn es mal ganz besonders pressieren sollte, schickt Krones auch schon mal einen „On Board-Kurier“ mit einem Ersatzteil los.

Quelle: Mittelbayerische, Michael Jaumann, MZ

(Falkenberg, 12.2015)


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