Hansgrohe – Feinjustierte Produktions- und Kundenlogistik

Erweiterungsprojekt | Als Reaktion auf das anhaltende Wachstum hat Hansgrohe am Standort Offenburg rund
30 Mio. Euro in die Erweiterung und Optimierung der gesamten Logistik investiert.

Als SAP EWM-Generalunternehmer unterstützten
IGZ | Die SAP Ingenieure den führenden Armaturen- und Brausenhersteller bei der Feinplanung und verantworteten zudem die Realisierung der SAP EWM/MFS-Lösung, in deren Mittelpunkt zwei neue vollautomatische Lagersysteme sowie eine innovative Kommissioniertechnik stehen.

Mit einer Metalldrückerei in Schiltach im Schwarzwald legte Hans Grohe im Jahr 1901 den Grundstein für die heutige Hansgrohe SE. Heute festigen 34 Gesellschaften und 21 Verkaufsbüros weltweit den Status des Armaturen- und Brausenspezialisten als einer der wenigen Global Player innerhalb der Sanitärbranche, der seine Produkte in mehr als 140 Ländern absetzt. Rund 5 000 Mitarbeiter haben dazu beigetragen, dass das Unternehmen mit seinen Marken AXOR und hansgrohe im Geschäftsjahr 2017 einen Gesamtumsatz von 1,077 Mrd. Euro verzeichnen konnte. Gegenüber 2016 entspricht dies einer Steigerung von 4,6 %. Aufgrund des kontinuierlichen Wachstums hat Hansgrohe eigenen Angaben zufolge im letzten Jahrzehnt etwa 100 Mio. Euro in den Ausbau der Standorte Offenburg und Schiltach investiert. Jeweils 30 Mio. Euro flossen zuletzt in eine neue Galvanik, mit der die Kapazität bei der Veredelung von Kunststoffprodukten mehr als verdoppelt wird, sowie in eine Verdoppelung der Logistikkapazitäten.

Diese ergänzt das Logistikzentrum Offenburg (LZO) als Bestandsimmobilie, die im Jahr 1990 ihren Betrieb aufgenommen hat und seither stetig auf erhöhte Marktanforderungen ausgerichtet worden ist. Doch die vorhandenen LZO-Lagerkapazitäten konnten mit den Wachstumsplänen nicht mehr Schritt halten. Infolge mussten zwecks Überbrückung der Engpässe weitere Lagerflächen an anderen Standorten in der Ortenau angemietet werden.

Systematisch verordneter Kapazitätszuwachs

„Hansgrohe steht für eine Beschaffungs-, Produktions- und Kundenlogistik auf höchstem Niveau, mit der wir auf sich wandelnde Kundenbedürfnisse optimal eingehen“, erklärt Stefan Riehle, Head of Logistics Center. Um dies auch weiterhin sicherstellen zu können, sei es unausweichlich gewesen, sämtliche Prozesse wieder unter einem Dach zu vereinen. Das Konzept sah vor, die vorhandenen Prozessflächen um 9 000 m² zu erweitern. Auf allein 4 200 m² Fläche sollten zwei neue Hochregallager mit 119 600 Behälter- und 11 400 Paletten-Stellplätzen errichtet werden. Parallel galt es, die Prozesse unter Einsatz neuester Technologie zu optimieren und die digitale Vernetzung weiter voranzutreiben.

Nachdem die Ingenieure der IGZ bereits 2011 erfolgreich die Einführung von SAP EWM / MFS (SAP Extended Warehouse Management / Material Flow System) mit umfassender Integration in die bestehende SAP-Systemlandschaft von Hansgrohe unterstützt hatten, setzte der Hersteller von Armaturen und Duschbrausen aus dem Schwarzwald auch beim Neubau auf den SAP-Logistikspezialisten aus Falkenberg. „Wir haben im Zuge des damaligen Migrationsprojekts im LZO sehr gute Erfahrungen mit IGZ, deren SAP EWM-Expertise sowie ingenieurtechnischen Projektmethodik gemacht“, so Stefan Riehle. Vor diesem Hintergrund sei der wiederholte Vertrauensvorschuss durchaus begründet gewesen.

Ganzheitlich integrierte Standortlogistik

Im Kern bestand das definierte Anforderungsprofil darin, die Verfügbarkeit und Leistungsfähigkeit des LZO deutlich zu steigern. Zu diesem Zweck sollte die bestehende Anlage um zusätzliche Lagerbereiche mit automatisierter Anlagentechnik erweitert werden, um sowohl die Kunden als auch die eigene Produktion angemessen bedienen zu können. Zu berücksichtigen waren hierbei Restriktionen, die aus den räumlichen Gegebenheiten am Standort Offenburg resultierten. Ferner sollten die vielfältigen und von Dienstleistern betriebenen Außenlager in Abhängigkeit des künftigen Produktportfolios weitestgehend aufgelöst werden, um langfristig weitere Kosteneinsparungen zu erzielen.

Im Verlauf der Feinplanung wurde gemeinsam mit den SAP-Logistikexperten von IGZ eine Designbasis mit relevanten Materialflusszahlen erarbeitet und eine simulationsvalidierte Systemlösung samt Umsetzungslayout entwickelt. Das Team der IGZ begleitete Hansgrohe darüber hinaus bei der Ausschreibung der Logistik-Gewerke und deren Vergabe.

Nach Abschluss dieser Arbeiten fiel 2015 der Startschuss zur Umsetzung. Die Prozessanforderungen hierbei waren nicht zu unterschätzen: vollständige Einbindung der Bestandslogistik in die neue Prozesswelt bei parallelem 3-Schichtbetrieb im LZO sowie eine durchgängige Materialflusssteuerung einer Vielzahl an Lager- und Kommissioniersystemen mit SAP MFS (SAP Material Flow System). „Darüber hinaus werden die Versandeinheiten mittels 2-stufiger Case Calculation für die Direktkommissionierung kundenspezifisch mit SAP EWM ermittelt. Die Kommissionierung und Konsolidierung erfolgen in einem innovativen Tower-System“, berichtet Christian Weiß, verantwortlicher IGZ-Bereichsleiter.

Sukzessive Migration und Inbetriebnahme

Die SAP EWM-Implementierung durch IGZ fokussierte auf die Materialflusssteuerung für die automatisierten Anlagenbereiche inklusive angeschlossener Peripherien, wie etwa automatische Kartonaufrichter, Kartondeckler und Etikettierer. Anzubinden waren auch sechs vollautomatische Kommissionier- Türme. Diese Pick- Tower fungieren einerseits als Versorgungslager für die Ware-zur-Person-Arbeitsplätze und dienen parallel der Auftragskonsolidierung für versandfertige Packstücke. Die Ein- und Auslagerung erfolgt über drei Ebenen. SAP EWM / MFS steuert zudem eine sequenzgenaue Andienung fertiger Packstücke zu den Palettier-Arbeitsplätzen im Versand.

„Für uns als voll verantwortlichen SAP EWM-Generalunternehmer hat sich die Methodik bewährt, komplexe Anlagen phasenweise zu migrieren“, so Christian Weiß. Um zudem eine möglichst sanfte Migration in die neuen Prozesse zu ermöglichen, wurde in den ersten beiden Phasen die Produktionsversorgung über das neue Kleinteilelager (AKL) sowie das neue Paletten-Hochregallager (HRL) sichergestellt. In Phase 3 folgte der Go-Live des Outbound- Bereichs, wobei ein Umzug des Warenausgangs (WA) in das neue Outbound- Gebäude stattfand. Somit konnte daran anschließend der bestehende WA-Bereich zurückgebaut und mit der Installation neuer Fördertechnikstrecken und Multifunktionsarbeitsplätzen begonnen werden, die für die künftigen Inbound-Prozesse notwendig waren. Diese 4. Phase wurde mit dem erfolgreichen Go-Live Anfang 2018 abgeschlossen.

Automatisierte Kommissionier-Lösung

Im neu errichteten automatischen Kleinteilelager finden heute rund 119 600 Behälter Platz. Das ebenfalls durchgängig mit SAP EWM / MFS verwaltete und gesteuerte Paletten-Hochregallager bietet ergänzend 11 400 Stellplätze. Im Wareneingang werden etwa 1 000 Paletten pro Tag vereinnahmt. Die Versandleistung im Outbound beläuft sich auf durchschnittlich etwa 8 000 Versandeinheiten pro Tag. In der Tower-Kommissionierung allein werden 6 000 zum Teil bereits vorkommissionierte Kartons je Tag mit Versandartikeln aus Lagerbehältern fertig kommissioniert. Versandfertig gestellte Kartons werden bei Bedarf zur Versandkonsolidierung wieder in die Kommissionier-Türme eingelagert. Auf Karton-Seite bietet ein jeder Kommissionier-Turm Lagerkapazitäten für bis zu ca. 600 Kartons, welche aufgrund der unterschiedlichen Kartongrößen mittels einer hochdynamischen Rasterung belegt werden und auf Behälterseite Platz für ca. 600 Kunststoffbehälter. In Summe umfasst der Tower-Bereich somit 3 600 Stellplätze für Kartonagen sowie knapp über 3 600 Stellplätze für Behälter.

Bevor die Kommissionierung eingelastet wird, erfolgt im Zuge der Verpackungsplanung eine kundenspezifische Vorberechnung der späteren Versandeinheit. Somit werden Überpackungsfehler ausgeschlossen und der Pauschalversand von „Luft“ auf ein Minimum reduziert. Die Genauigkeit der Vorberechnung geht über die SAP EWM-Standardkalkulation gemäß Wasserverdrängungsmodell weit hinaus. Anwendung findet hierbei ein spezieller Schichtmuster-Algorithmus, welcher zusammen mit dem Fraunhofer Institut entwickelt wurde. „Waren optimal zu verpacken, kostet in der Regel Zeit und Geld“, ergänzt Christian Weiß. „Mithilfe der IGZ Extended Case Calculation für SAP EWM lässt sich somit ein deutlicher Wettbewerbsvorteil generieren.“

Neue Logistikplattform mit verbesserter Schlagkraft

„Seit Inbetriebnahme des erweiterten LZO ist Hansgrohe in der Lage, seine Kunden weltweit noch schneller als bisher beliefern zu können“, resümiert Stefan Riehle. „Eine Null-Fehler- Kommissionierung trägt ferner dazu bei, dass auch die Lieferqualität nochmals verbessert werden konnte.“ Ferner wird jedes Produkt heute praktisch nur noch einmal angefasst. Eine Vorkommissionierung – wie früher der Fall – ist nicht mehr erforderlich, sodass die Auftragsabwicklung beschleunigt wird. Dank dem eigenen SAP-Know-how, das Hansgrohe bereits beim ersten Lagerprojekt aufbaute, und der langjährigen Expertise von IGZ bei der Migration von SAP EWM / MFS habe man gemeinsam ein Projekt erfolgreich gestemmt, das wie so häufig mit nicht alltäglichen Herausforderungen verbunden gewesen sei.

Durchgängige Bestandstransparenz über das LZO ist ebenso gegeben, wie die erforderliche Verfügbarkeit und Leistungsfähigkeit des neuen Gesamtsystems. Das abzuwickelnde Kommissionier-Volumen konnte deutlich erhöht werden und deckt somit auch das weitere Wachstum ab. Davon profitiert auch die Produktion als konzerninterner Logistikkunde, dem die erforderlichen Komponenten sequenzgenau zugeführt werden.

Wie Stefan Riehle weiter ausführt, ist das Unternehmen Hansgrohe dank SAP EWM / MFS auch beim Thema „Logistik 4.0“ bestens aufgestellt, denn die digitale Vernetzung spielt im erweiterten Logistikzentrum eine zentrale Rolle. Realisiert ist auch, dass jedes Paket und jede Versandpalette vor dem Verlassen des LZO automatisch fotografiert wird. Darüber hinaus lassen sich Ladungsträger jeweils individuell in gewünschter Reihenfolge bestücken, sodass der Wareneingangsprozess für die Endkunden vereinfacht wird.

SAP EWM / MFS wird bei Hansgrohe aktuell bereits um weitere Werksbereiche erweitert. Im Zentrum steht hierbei die Ver- und Entsorgung der neuen Galvanik, die Anfang 2019 produktiv gesetzt wird.

Weitere Informationen zum Projekt finden Sie hier.


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